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Der gescheiterte Premier: Yves Leterme

Foto: REUTERS/Sebastien Pirlet (BELGIUM)

Brüssel - Schon wieder vermiesen Politiker dem belgischen König Albert II. die Festtagsstimmung. Vor einem Jahr hatte der Monarch mit knapper Not die schlimmste Krise abgewandt und wenige Tage vor dem Heiligen Abend eine Übergangsregierung eingesetzt. Nun steht Weihnachten 2008 vor der Tür und die Lage ist noch dramatischer: Der Rücktritt der Regierung von Premierminister Yves Leterme hat das Königreich ins politische Chaos gestürzt.

Es herrsche "Panik im Palast" , schrieben belgische Kommentatoren am Dienstag. Nur so sei zu erklären, dass König Albert (74) die politische Garde des Gestern und Vorgestern zu Hilfe ruft: Ex-Premier Wilfried Martens (72), der bei EU-Gipfeln noch mit Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt (90) verhandelte, soll Möglichkeiten für eine neue Regierung ausloten. Derzeit beste Chancen auf den Chefposten einer Übergangsregierung hat dabei Jean-Luc Dehaene (68), belgischer Premierminister 1992 bis 1999.
Diese Männer haben reiche Erfahrung - Martens hat nicht weniger als zehn Regierungen geleitet. Aber die Belgier sehen sie als Männer der Vergangenheit, als die Dinosaurier der vaterländischen Politik. Das Boulevardblatt La Dernière Heure druckte auf Seite 1 ein großes Schwarz-Weiß-Foto von Martens und Dehaene im Saft ihrer besten Jahre und titelte:

"Jurassic Park ... auf Belgisch" .

"Den Politikern von heute fehlt es teilweise wohl an Talent und vielleicht auch an Erfahrung" , kommentierte die flämische Zeitung De Standaard. Ihr größer Nachteil aber sei: "Sie haben kein Land zu regieren. Ihr Land ist faktisch in zwei Länder zerfallen, die sich völlig unabhängig voneinander entwickeln. Aber sie müssen dennoch eine Regierung dafür bilden. Das ist fast unmöglich."

Endloser Sprachenstreit

Der gescheiterte Leterme (48) gehört der jüngeren Generation an. Schon vor seiner Entlassung am Montag verzweifelte er mehrfach am Sprachenstreit zwischen Flamen und Wallonen. Immer wieder forderte der König ihn zum Weitermachen auf. Schließlich gab es ein schwieriges Problem zu lösen: Die Neuordnung des zweisprachigen Wahlkreises Brüssel-Halle-Vilvoorde, die laut Urteil des obersten Gerichtshofs vor der nächsten Parlamentswahl geschehen muss.
Dieser Termin rückt bedrohlich näher: Vorgezogene Neuwahlen zusammen mit der Europa- und Regionalwahl im Juni 2009 gelten als wahrscheinlich. Aber eine handlungsfähige Regierung fehlt. Die nötige Staatsreform erscheint utopisch. Zugleich wachsen die wirtschaftlichen Probleme im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise. Neben Berichten über die Turbulenzen in der Politik füllen Meldungen von Entlassungen die Spalten der belgischen Zeitungen. (dpa/DER STANDARD, Printausgabe, 24./25./26.12.2008)