Bad Arolsen / Wien - "Man weiß schon viel über den Holocaust, aber mit den jetzt erstmals zugänglichen Dokumenten ergibt sich ein noch dichteres Bild der Verfolgung und der NS-Verbrechen." Der Wiener Historiker Bertrand Perz erhofft sich von der Öffnung des weltweit größten Holocaust-Archivs im hessischen Bad Arolsen etwa zusätzliche Detailinformationen über die Geschichte des Konzentrationslagers Mauthausen.

Erst seit November des Vorjahres sind jene 50 Millionen Dokumente über rund 17,5 Millionen Menschen für Wissenschafter und Besucher einsehbar, die der Suchdienst des Roten Kreuzes (ITS) in Bad Arolsen zusammengetragen hat. Mit Datenschutz-Argumenten wurde der Zugang jahrelang blockiert, berichtete der Chefhistoriker des Washington Holocaust-Museums, Paul Shapiro, am Donnerstag im Wiener Jüdischen Museum. Deutschland sei erst nach massivem öffentlichen Druck im November 2007 bereit gewesen, die Akten, darunter Häftlingsausweise oder Totenlisten, für die historische Forschung freizugeben. "Es gab Regierungen, die NS-Dokumente extra nach Bad Arolsen gebracht haben, weil sie meinten, dass sie nie veröffentlicht werden", glaubt Shapiro. Erst mit der neuen Kanzlerin Angela Merkel habe sich die Politik Deutschlands geändert. Der Historiker sieht das jetzt öffentlich zugängliche Archiv mit seinem beeindruckendem Dokumentationsmaterial als "Waffe im Kampf gegen Holocaust-Leugner: Die, die noch immer sagen, das sei alles nicht passiert, sollen sich selbst überzeugen."

Geld für Wiesenthal-Institut

Das Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien, das Shapiro am Donnerstag einlud, erhält übrigens von der Stadt Wien für den Aufbau eines Institutes 1,3 Millionen Euro Subventionen. Das wurde am Freitag im Gemeinderat beschlossen. Den Rest der rund 2,5 Millionen Euro Baukosten übernimmt der Bund. Das Institut soll 2012 im Palais Strozzi eröffnen. (kw/DER STANDARD, Printausgabe, 20./21. 12. 2008)