Die aktuellen Zulassungskriterien - eine Realsatire. Die vor der Wahl versprochene Anhebung des Budgets auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben. Dazu: Kündigungen und Kürzungen im Forschungsbereich. - Willkommen in der postelektoralen Agonie, Sektion Hochschulpolitik.

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Die postelektorale Depression liegt schwer über dem Land. Man möchte sich gar nicht im Detail ausmalen, was alles auf uns zukommen wird und wie eine Regierung, für die offenkundig das Fortwursteln die oberste Maxime ist, darauf reagieren wird. Die rechte Zeit für die Tugend stoischer Gelassenheit. Würden nicht die hochschul- und forschungspolitischen Provokationen der letzten Wochen für einen Adrenalinschub sorgen.

In der Hochschulpolitik hat die Regierung einen fulminanten Fehlstart hingelegt. In keinem anderen Bereich ist die Differenz zwischen vor der Wahl und nach der Wahl so groß wie hier. Zugegeben, der Wissenschaftsminister musste ein schweres Erbe antreten. Bei ihrem Amoklauf knapp vor den Wahlen haben SPÖ, Grüne und die Freiheitliche Partei ganze Arbeit geleistet. Sie haben ein Ausnahmenlabyrinth für Studiengebühren erfunden, das die Einnahmen fast völlig zum Erliegen bringt, dafür aber die administrativen Kosten der Überprüfung explodieren lässt. Eine Realsatire, die aus der Feder von Herzmanovsky-Orlando stammen könnte.

Futter für den Amtsschimmel

Alle Studenten, welche die Mindeststudiendauer plus zwei Toleranzsemester nicht überschritten haben, sind grundsätzlich von Gebühren befreit. Das sind etwa 70 Prozent. So weit, so einfach. Man hat aber keine Mühen gescheut, um gute von bösen Bummelstudenten zu unterscheiden. Nur letztere müssen zahlen.

Die Liste der Ausnahmen erstreckt sich von Krankheit, Schwangerschaft und Behinderung bis zu Auslandsstudien, Kinderbetreuung und Berufstätigkeit. In der Eile haben die Grünen darauf vergessen, auch Studierende mit Prüfungsangst in den Ausnahmenkatalog aufzunehmen. Macht aber nichts, denn auch so werden die Einnahmen aus den Gebühren deutlich unter den Kosten für den Amtsschimmel liegen, der die Rechtsmäßigkeit dieser Pflanzerei bestätigen muss.

Ein schweres Erbe also, aber noch lange kein Grund, diesen Unfug auch tatsächlich zu exekutieren. Unter diesen Voraussetzungen wäre es besser, die Studiengebühren ganz abzuschaffen. Der Wissenschaftsminister will das "Effizienzvernichtungsprogramm" (WU-Rektor und Uni-Konferenz-Präsident Christoph Badelt) aber beinhart durchziehen, weil er unter Missachtung aller Evidenzen davon ausgeht, dass die Universitäten trotz der vielen Ausnahmen hohe Beträge einnehmen könnten. Ein Blick in die von seinem Haus herausgegebene Studierenden-Sozialerhebung würde ihn darüber aufklären, dass die überwiegende Mehrheit derer, die die Mindeststudiendauer überschritten haben, in einem Ausmaß erwerbstätig sind, welches sie nach der derzeitigen Regelung von Gebühren befreit. Müssen die Unis ihre knappen Mittel dafür vergeuden, diese Erkenntnis amtlich zu bestätigen?

Wenn Hahn an seinem Kurs festhält, werden die Unis in den nächsten Jahren für Forschung und Lehre nicht - wie versprochen - mehr, sondern weniger Geld zur Verfügung haben.

Selbst die Finanzierung des Kollektivvertrags - seit zwei Jahren überfällig - steht nun "unter Budgetvorbehalt". Dass dieser Vorbehalt wirksam werden wird, pfeifen die Budgetauguren von allen Dächern. Die Anhebung der Hochschulausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts wurde auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben.

Der Universitäten geht es wie dem Klimaschutz: Jetzt braucht man erst einmal "Löschwasser" für die wichtigeren, handfesteren Agenden. Mag ja sein. Aber wenn die Regierung nun unter dem Eindruck aktueller Krisen alles, was zuvor hoch und heilig versprochen wurde, wegkürzt oder unter Budgetvorbehalt stellt, warum nimmt sie dann nicht auch jene Wahlversprechen zurück, die die Unis belasten?

"In Verschub geraten"

Darauf ist nicht zu hoffen. Statt dessen versetzt sie in ausgleichender Gerechtigkeit auch der außeruniversitären Forschung einen Schlag in die Magengrube. Im Budgetpfad des Regierungsprogramms sind von den bereits zugesagten Mittel für die Forschung über Nacht plötzlich zwei Milliarden Euro verschwunden. Gleichsam "in Verschub geraten". Ein Irrtum, beteuern die Koalitionshäuptlinge.

Oder doch nicht? Niemand weiß es so genau. Darauf angesprochen, plaudert die Infrastrukturministerin in fröhlicher Unbekümmertheit vor sich hin, als würde es sich um eine Materie handeln, bei der man, bitte sehr, doch nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen müsse. (Bures im Interview, Standard 13. 12. 2008)

In der Zwischenzeit bereitet die Akademie der Wissenschaften die Kündigung von 150 Mitarbeitern vor. Das wiederum kann der Wissenschaftsminister nicht nachvollziehen, denn "bis April 2009 kommt die Akademie mit ihrem Budget aus". Dass Forschungseinrichtungen langfristige Planung und Kontinuität benötigen und sich nicht nach den Rösselsprüngen budgettaktischer Ad-hoc-Entscheidungen richten können, ist noch nicht in die allerhöchsten Regierungskreise durchgedrungen. Auch die Exzellenz Cluster und Doktoratskollegs des Wissenschaftsfonds (FWF) hängen nun in der Luft. Wozu brauchen wir auch solche Programme, für exzellente Forschung haben wir ja Maria Gugging.

Bildungsministerin Schmidt will ihre Politik unter das Motto stellen: Der Wohlstand Österreichs wird im Klassenzimmer entschieden. Ein schöner Satz. Dürfen wir dem Regierungsteam die Botschaft unter den Christbaum legen, dass auch in den Hörsälen und Forschungsstätten ein Beitrag geleistet wird? (Hans Pechar/DER STANDARD Printausgabe, 20./21. Dezember 2008)