Strache sieht sich als Migrant: "Meine Geschichte zeigt, dass man in der FPÖ alle Chancen hat."

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STANDARD: Sie fordern Bürgermeister Michael Häupl jetzt schon zum „Duell um Wien", ist das nicht ein bisschen früh?

Strache: Nein, denn Bürgermeister Häupl hat abgewirtschaftet, er hat keine Dynamik mehr. Das Rathaus ist keine uneinnehmbare Festung, auch wenn Häupl glaubt, er kann sich hinter einem symbolischen eisernen Vorhang verschanzen.

STANDARD: Sie wollen Bürgermeister werden. Eine Absolute wird sich für die FPÖ allerdings nicht ausgehen. Mit wem wollen Sie koalieren?

Strache: Spielen wir nicht Hellseher. Ich bin davon überzeugt, dass es in Wien ein politisches Erdbeben geben wird. Wir können die SPÖ deutlich unter 40 Prozent bringen.

STANDARD: Trotzdem: Welche Partei kommt als Koalitionspartner infrage?

Strache: Das wird man dann zu bewerten haben, welche Möglichkeiten es gibt, nach über 60 Jahren sozialistischer Präpotenz und Arroganz endlich eine sozial gerechte Politik zu machen.

STANDARD: Heißt das, die ÖVP wäre Ihnen als Partner lieber?

Strache: Ich habe gesagt, dass ich Schluss machen will mit Präpotenz und Arroganz im Sinne einer Absoluten. Aber wir haben nie jemanden ausgegrenzt und werden das auch in Zukunft nicht tun. Wir wollen, dass Wien weiterhin eine Weltstadt bleibt, aber bei Gott keine Allerweltsstadt.

STANDARD: Alle anderen Parteien wollen verstärkt im Gemeindebau auf Stimmenfang gehen. Wird man Sie im Gegenzug öfter in diversen Bobo-Lokalen antreffen?

Strache: Ich war immer in ganz Wien unterwegs. Und diese Einstufungen greifen zu kurz. Die FPÖ hat bei den bis zu 30-Jährigen österreichweit 33 Prozent. Und wir sprechen alle Schichten an. Es ist uns gelungen, 2008 eine Gegenbewegung zur gescheiterten linken 68er-Bewegung zu installieren.

STANDARD: Der grüne Bundesrat Efgani Dönmez hat mit für einen Grünen ungewöhnliche Aussagen zur Asylpolitik aufhorchen lassen. Wäre er bei Ihnen besser aufgehoben?

Strache: Bundesrat Dönmez ist jemand, der sich offensichtlich sehr gut integriert und etwas Richtiges erkannt hat.

STANDARD: Ist das ein Wechselangebot?

Strache: Wir werden ihm wahrscheinlich politisches Asyl anbieten müssen. Dönmez ist in dem Fall ein zartes Pflänzchen und ein Zeichen dafür, dass man sich auch bei den Grünen endlich die Realität eingesteht.

STANDARD: Warum gibt es bei der FPÖ kaum Politiker mit Migrationshintergrund?

Strache: Ich stamme aus einer sudetendeutschen Vertriebenenfamilie - und bin FPÖ-Chef. Meine Familiengeschichte zeigt, dass man in der freiheitlichen Partei alle Chancen hat. Wir haben auch Leute, die aus der Türkei stammen, wir haben christliche Kopten aus Ägypten und Persönlichkeiten aus Syrien und Armenien.

STANDARD: Die FPÖ ist also die Zuwandererpartei?

Strache: Nein, das nicht, aber wir unterscheiden zwischen anständigen und unanständigen Menschen. Das ist keine Frage der Herkunft oder der Religion.

STANDARD: Ist es unanständig, während der Arbeit ein Kopftuch zu tragen - wie im_Fall einer jungen muslimischen Straßenbahnfahrerin in Wien?

Strache: Es ist nicht unanständig, wenn man in seiner Privatzeit anzieht, was man will. Aber im staatlichen Bereich muss es Kleidungsvorschriften geben. Es darf niemand bevorzugt werden, etwa wegen seines Geschlechts oder seiner Herkunft. Ich sehe nicht ein, dass Lehrerinnen mit dem Kopftuch unterrichten. Das Kopftuch ist ein politisches Symbol.

STANDARD: Aber diese Lehrerinnen kriegen den Job ja nicht, weil sie ein Kopftuch tragen - sondern weil sie entsprechend ausgebildet sind.

Strache: Ja, aber sie sollen eben kein Kopftuch tragen. Ich werde genauso einem Lehrer, der mit einem Baseballkapperl unterrichtet, sagen: „Bitte, Sie haben das Kapperl im Unterricht nicht zu tragen."

STANDARD: Abgesehen von der Zuwanderung: Mit welchen Themen wollen Sie in den Wiener Wahlkampf gehen?

Strache: Es braucht sozialen Wohnbau. Ich würde mindestens 20.000 neue soziale Wohnungen schaffen - und nicht mit Mieten von 700 bis 900 Euro, sondern mit 200 bis 300 Euro. Im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit braucht es mehrere konkrete Maßnahmen. Das fängt bei einer 20-prozentigen Prämie für neue Arbeitsplätze an, geht zu einer Landesförderung für Lehrlinge bis hin zu einem Beteiligungsfonds. Die Stadt soll sich bei interessanten Neugründungen mit bis zu 30 Prozent der Finanzierung beteiligen. So können wir 2010 ein zweites freiheitliches Kernland schaffen.

STANDARD: In Kärnten regiert aber schon noch das BZÖ.

Strache: Jörg Haider war in seinem Herzen immer ein Freiheitlicher. Bei der Landtagswahl im März stellen wir das Erbe Haiders sicher.

STANDARD: Wird Ihr Spitzenkandidat Ex-FPÖ-Chef Mathias Reichhold sein?

Strache: Es gibt viele interessante Persönlichkeiten. Reichhold ist eine davon. Es wird jedenfalls ein Landeshauptmann-Kandidat sein.

STANDARD: Mit ein paar Prozent wollen Sie den Landeshauptmann stellen?

Strache: Wir wollen mindestens drittstärkste Kraft werden und deutlich über zwölf Prozent erreichen.

STANDARD: Kann es dann auch wieder eine Zusammenarbeit mit dem BZÖ geben?

Strache: Nach dem Tod Jörg Haiders gibt es im BZÖ niemanden, dem man den Führungsanspruch zutraut. Landeshauptmann Gerhard Dörfler sind die Schuhe viel zu groß. Es war auch enttäuschend, dass sich diverse BZÖ-Politiker nicht deutlicher gegen die skandalöse Medien-Verunglimpfung ausgesprochen haben. Es ist traurig, dass die Witwe selbst in Interviews tätig werden musste. Ich kann mir vorstellen, Claudia Haider zur Landtagspräsidentin zu wählen. Das ist fast eine moralische Verpflichtung.

STANDARD: Und wie lautet Ihr Ziel für die EU-Wahl im Juni?

Strache: Wir haben aufgrund unserer richtigen Inhalte das Ziel, eine politische Führungskraft zu werden. Das heißt: den Platz zwei, den Platz eins zu erreichen. Die EU-Wahl wird eine Abrechnung mit dem rot-schwarzen Regierungsapparat und den Unionstechnokraten. (Günther Oswald und Martina Stemmer, DER STANDARD, Printausgabe, 22.12.2008)