Santa Claus, alias Michael Graham, darf seinen lukrativen Job in der Shoppingmall behalten - die Kunden ließen seine Kündigung nicht zu.

Foto: Standard/Herrmann

 Und eine Solidaritätsaktion seiner Kunden den Job im Kaufhaus doch noch rettete.

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Michael Grahams Weihnachtsmannkostüm sitzt tadellos an seiner stattlichen Figur. Kein Wunder, denn es ist maßgeschneidert. Graham legt Wert auf jedes Detail, allein seine Stiefel ließ er sich 725 Dollar kosten. Er ist ein Weihnachtsmann, wie man ihn sich vorstellt. Prächtiger Bart, echt natürlich. Rote Pausbacken, wache Augen und eine edle, silberne Brille, über deren Rand er die beiden kleinen Mädchen auf seinem Schoß freundlich mustert.

Ängstlich sind die beiden nicht, dieser Santa weiß, wie er auf Kinder eingeht. Das ist wahrscheinlich der Grund, warum so viele Familien mitunter länger als eine Stunde für ein - nicht eben preiswertes - Foto anstehen. Zwei Aufnahmen, die man mindestens bestellen muss, kosten zwanzig Dollar. Graham lässt sich jeden Tag von morgens bis abends auf einem smaragdgrünen, herrschaftlichen Samtsofa ablichten, das zwischen zwei Rolltreppen steht. Sein glitzerndes Nordpolland befindet sich im riesigen Tysons Corner Center am Rande von Washington, der sechstgrößten Shoppingmall der Vereinigten Staaten.

Ein Weihnachtsmann gehört im Dezember in jedes amerikanische Einkaufszentrum - wie Auntie Ann's salzige Brezeln. Das wissen auch die Betreiber, nur wollten sie dieses Jahr den Bärtigen einfach austauschen. Mit einer neuen Fotoagentur sollte auch ein neuer Santa Claus her, nach achtzehn Jahren, die Michael Graham für dieses Center gearbeitet hat. Ohne einen Tag zu fehlen, wie er betont. Vielleicht war Graham den Chefs ja zu alt mit seinen 51 Jahren - und zu teuer. Grahams Verdienst für fünf Wochen beträgt 30.000 Dollar - etwa das Zehnfache dessen, was durchschnittliche Kaufhaus-"Santas" verdienen.

Im Hauptberuf ist der Familienvater Zimmermann im kleinen Sevierville in Tennessee - ein Job, in dem es derzeit nicht allzu viel zu verdienen gibt. Es wird nicht viel gebaut wegen der Immobilienkrise. Ende November besorgte er sich, wie stets, eine Flasche Wasserstoffperoxid, bleichte seine dunkle Haarpracht und schickte sich an, die zirka 500 Meilen lange Reise nach Nordosten anzutreten, als er plötzlich von seiner Kündigung erfuhr. Andere Weihnachtsmannjobs waren schon vergeben - Graham befand sich plötzlich in einer mehr als schwierigen Lage.

"Santa" hat sich im vorigen Jahr ein Haus gekauft, zu einem überhöhten Preis. Die Hypothek lastet auf ihm. Er hatte fest mit seinem Winterverdienst gerechnet.

Ein Aufschrei ging durch Washington, als sich die Entlassung herumsprach. Viele, denen es ähnlich erging, identifizierten sich mit Michael Graham. "Was für ein Pack von Grinchen, die so etwas machen", flucht etwa die vierzigjährige Michelle Gallagher und zieht den Vergleich zwischen den Kaufhaus-Managern und der neidgrünen Höllenkreatur, die anderen das Weihnachtsfest verdirbt. Eine andere Mutter berichtet voller Anerkennung, dass Graham geschafft habe, woran sie bis dato gescheitert sei - ihrer Tochter den Schnuller abzuluchsen.

Amerika entfaltete seinen Bürgersinn für Solidarität. Der Chef einer Weihnachtsbaumfirma kam mit einem Scheck über 1000 Dollar und versprach, weitere 29 Sponsoren für die 30.000 Dollar Weihnachtsmannsalär zu finden. In tausenden E-Mails wurde protestiert, eine Petition verfasst. Selbst das Gehalt des Chefs von Macerich, dem Betreiber der Mall, kursierte im Internet. 2,5 Millionen Dollar im Jahr. Die Kunden redeten Klartext: "Wenn ihr unseren Weihnachtsmann rausschmeißt, kaufen wir nie wieder bei euch ein."

Mit einem solchen Aufstand hatten die Manager schlicht nicht gerechnet. Sie mussten sich in aller Form entschuldigen, die Kündigung wurde zurückgenommen. Nicht einmal Grahams Salär wurde gekürzt. Sein Haus in Tennessee wird nun zumindest heuer bestimmt nicht zwangsversteigert. (Almuth Herrmann aus Tysons Corner, DER STANDARD - Printausgabe, 22. Dezember 2008)