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Wasserspiele: Macduff (Markus Hering) macht der Lady (Birgit Minichmayr) den Garaus.

Foto: Techt/APA

Wien - Am Schluss von Stephan Kimmigs Macbeth-Inszenierung im Wiener Akademietheater spürt man grässliche Ermattung auf allen Seiten. Das Mörderehepaar Lord und Lady Macbeth hat die Rollen getauscht. Der schattenblasse Zauderer mit dem goldlackierten Cowboy-Hut (Dietmar König) hat, statt dass seine Gemahlin (Birgit Minichmayr) verrückt würde, den gesunden Menschenverstand verloren. Eben noch schrubbte er sich das unsichtbare Blut der Opfer von den Armen. Ein Kassenpatient nimmt in der Nervenheilanstalt ein Fußbad: Shakespeares finsterste Tragödie ist endgültig zum Sanierungsfall geworden.

Jetzt thront die Lady in dem gefluteten Appartement aus lauter Sichtglasfenstern, die in Martin Zehetgrubers Bühne ein Spiegelkabinett ergeben, in einem Plastikfauteuil. Sie spürt den scharfen Atem der Bluträcher in ihrem Nacken: der Malcolms und Macduffs, die in ihren drolligen Schlaghosen wie texanische Kabinettsmitglieder einer republikanischen US-Regierung aussehen.

Sie möchte, "dass die Welt ein Ende hat". Man stimmt ihr umso bereitwilliger zu, als die von Kimmig aus den gedankenvollsten Shakespeare-Versen öde herausgepresste Schwund- und Plumpform eines Königsdramas gar niemals die Chance besaß, zu verfinstertem Leben zu erwachen.

Macbeth, der schottische "Than", war zu Anfang mit seinem hageren Kumpel Banquo (Tilo Werner) noch im Parkett gesessen. Zwei US-Veteranen, die offenbar unbotmäßige Araber über den Haufen zu schießen pflegen, tauschen Zoten aus. Da leuchten hinter der schwarz glänzenden Glasfront drei Gesichter auf: Die Hexen spinnen im Licht blauer Stablampen das süße Stroh ihrer Prophezeiungen.

Nun handelt Macbeth vom Mut zu Entschlüssen: Sein Bekenntnis zu Mord und Schlichen geschieht im reinen, unversöhnten Bewusstsein der Folgen, die aus dem Drehen der Gewaltschraube notwendig resultieren.

Macbeth zaudert, König Duncan zu erdolchen, weil er über die verheerende Destabilisierung seines Gewissens schon im Voraus Bescheid weiß. Auch seine Lady, die ihm nichts Geringeres als Impotenz nachsagt, weiß, wo die Spukgestalten hausen: in den empfänglichen Gemütern der Mörder, deren zerrüttete Fantasie fortan wie ein Bilanzbuch zu lesen ist.

Zwei Seelen, zwei Orte

Der Schauplatz von Macbeth ist daher nicht lediglich Schottland, sondern eine in der Mitte abgetrennte Wohnlandschaft: Besichtigt werden die aneinander angrenzenden Seelen des Königs und seiner Lady.

Im Akademietheater bekommt man rein gar nichts zu sehen: Zwar suggerieren schwarze Vorhänge das Prasseln schwarzer Regenstrahlen. Duncan (Martin Reinke) atmet die Gönnerhaftigkeit eines vom Schlächtergeschäft vor der Zeit ausgelaugten Gangsterkönigs. Die Lady, in Minichmayrs gewohnt kratzbürstiger Katzengeschmeidigkeit das Inbild lockender Hostessenpracht, krault dem verharschten Zausel dienstbereit den Nacken.

Fortan wirken alle wie vom Schlag gerührt. In knappen Stellskizzen werden die Staatsgeschäfte der Cowboys im gemächlichsten Tempo exekutiert. Der Mord an Duncan wird in einer Tiefgarage offenbart. Das Ehepaar, das sich zur royalen Stehparty verschreckte Lustknaben in Kürschnerpelzen einlädt, verströmt den milden Schrecken eines mit den sauren Pflichten der Herrschaftsausübung rechtschaffen überforderten Aufsteigerduos.

Der wunderbar entgeistert dreinblickende Cowboy Macduff (Markus Hering) setzt mit der plantschenden Erdrosselung der Lady dem lauen Spiel ein Ende. Was folgt, sind entbehrliche Anspielungen: Der Streber Malcolm (Markus Meyer) hält eine Obama-Rede. Man faltet strenggläubig die Hände zum Gebet. Politik, so lehrt es der Abschluss des Shakespeare-Zyklus, ist billige Verschubware.

Bei der Premiere gab auch noch die Tonanlage während der letzten 25 Minuten den Geist auf. Ebenso entgeistert das Publikum: Es reagierte stark verstimmt. (Ronald Pohl / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.12.2008)