Bild nicht mehr verfügbar.

Liliane Bettencourt, Miteigentümerin des Kosmetikkonzerns L'Oréal, will sich nicht vorschreiben lassen, wem sie Geld gibt.

Foto: Reuters/Charles Platiau

Paris - Die Pariser Presse übertreibt diesmal nicht, wenn sie von einer "schrecklichen Geschichte" und einer "unglaublichen Intrige" spricht. Im Mittelpunkt steht Liliane Bettencourt, in zweiter Generation Besitzerin des Kosmetikkonzerns L'Oréal. Die 86-jährige Französin soll ihr Vermögen, das von Forbes auf 17 Milliarden Euro geschätzt wird, verjubeln und dabei sogar unter Druck handeln - behauptet jedenfalls Tochter Françoise, die von der Justiz eine Untersuchung über die "Ausbeutung der Schwäche" ihrer Mutter durch unbekannt angestrengt hat.

Demnach soll die L'Oréal-Eignerin einem mehr als zwanzig Jahre jüngeren "Freund" seit Jahren Bankschecks, Lebensversicherungen und Picasso- oder Matisse-Gemälde zukommen lassen.

Dieser Jetsetfotograf und Künstler namens François-Banier ist in mondänen Pariser Kreisen als "Dandy" (so das Wochenmagazin Le Point) bekannt; er kennt unter anderem Caroline von Monaco und die Schauspielerin Isabelle Adjani und pflegte Kontakt zum früheren Staatspräsidenten François Mitterrand. Wie Pariser Medien berichteten, soll er Bettencourt mit massivem Druck Geld "abgepresst" haben, und zwar nicht nur ab und zu kleine Beträge, sondern über die Jahre fast eine Milliarde Euro.

Damit entsteht das Bild einer älteren Dame, die nach dem Tod ihres Gatten vereinsamt ist und sich als Mäzenin jüngerer Künstler betätigt. Ihre Tochter verlangte ein psychiatrisches Gutachten, um in dem Justizverfahren möglicherweise die Aberkennung der Entscheidungsfähigkeit durchzusetzen.

Für einen internationalen Konzern wie L'Oréal mit 63.000 Angestellten wäre das verheerend, besitzt Liliane Bettencourt doch 30 Prozent des Kapitals. Direkt betroffen ist auch der Nestlé-Konzern, der an L'Oréal 28,5 Prozent der Anteile hält.

Keine Adoption geplant

Nun geht die reichste Französin zum Gegenangriff über. In einem Interview mit dem Journal du Dimanche unterstellt sie ihrer Rivalin "Eifersucht": Ihre einzige Tochter sei "verschlossen" und ertrage es nicht, dass sie selbst Umgang mit "extrovertierten" Freunden pflege. "Was ist nur in meine Tochter gefahren? Das ist eine große Dummheit" , meinte Bettencourt, die in dem Gespräch durchaus luzid, aber voller Ranküne gegen ihre Tochter wirkte.

Die Mutter bekräftigte, sie habe aus dem Fotografen nicht eine Art Adoptivsohn machen wollen, nur weil sie keinen männlichen Erben habe. Weiter dementierte sie Meldungen, sie habe Staatschef Nicolas Sarkozy eingeschaltet, um das von ihrer Tochter angestrengte Rechtsverfahren zu stoppen. Der Richter, der über das Rechtsverfahren entscheiden muss, gilt als Vertrauter Sarkozys.

Dass die sonst sehr diskrete L'Oréal-Besitzerin ein Interview gibt, ist schon sehr unüblich. Le Monde zitierte aus Familienkreisen, dass die Mutter die Tochter vor den Gerichtsklagen warne und sie als "schwierigen Charakter" hinstelle. Diese sichtlich gesteuerten Gegenenthüllungen sollen wohl die Tochter Françoise öffentlich anschwärzen und ihre Rechtsposition schwächen.

Aktionär Nestlé

Die beiden Frauen sind sehr unterschiedlich. Während sich die energische Liliane in der Kunstszene umtreibt, schreibt ihre eher akademische Tochter (55) Bücher über die Bibel. Françoise stand ihrem 2007 verstorbenen Vater viel näher. Sie besitzt dem Vernehmen nach elf Prozent von L'Oréal und wird als Einzelkind zumindest den Pflichtteil des restlichen Vermögens erben. Obwohl geisteswissenschaftlich interessiert, verfügt sie selbst auch über Geschäftsbeziehungen; ihr Mann ist Verwaltungsrat bei Nestlé. Dieser Schweizer Nahrungsmittelkonzern ist mit den Bettencourts in einem Aktionärspakt verbunden und könnte von dem Familienstreit profitieren. (Stefan Brändle, Paris, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23.12.2008)