Bild nicht mehr verfügbar.

Eine gelungene Verzierung, aber wichtiger sind die Blätter, die den Kaffeebohnen den besten Schutz geben. Der Tropenwald kann auch künstlich erzeugt werden - wenn man nur will.

Foto: Srakocic/AP

Ann Arbor - In der Berglandschaft des südmexikanischen Bundesstaat Chiapas scheint die Tropenwelt noch in Ordnung zu sein. Sattgrüner Wald überzieht die Hänge, in den Baumkronen wie im Unterwuchs wimmelt es vor Leben. Vögel fliegen umher, überall wuseln Wildbienen und andere Insekten. Ein unberührtes Naturparadies? Nicht wirklich.

Was auf den ersten Blick wie Urwald wirken mag, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen oft als Biotop aus Menschenhand. Das Unterholz besteht weitgehend aus angepflanzten Exoten: Kaffeesträucher (Coffea arabica), deren ursprüngliche Heimat der äthiopische Bergwald ist. Damit die Fremdlinge gut gedeihen, ahmen Kaffeebauern traditionell deren gewohntes Biotop nach. Kaffee ist nämlich ein Schattengewächs, er wächst am gesündesten unter den Blätterdächern hoher Bäume.

Farmer pflanzen deshalb gezielt hochwüchsige Baumarten zwischen ihren Kaffeesträucher an, oder sie haben einen Teil des ursprünglichen Waldwuchses bei der Anlage der Plantage einfach stehen lassen. Sehr zum Wohle der Fauna. Viele Zugvögel, die im Sommer in Nordamerika brüten, überwintern in den traditionell bewirtschafteten Kaffeeplantagen Mittelamerikas und der Karibik. Die Bauern profitieren übrigens von der zoologischen Artenvielfalt. Vögel, aber auch Fledermäuse halten die Insektenpopulationen im Zaum (nachzulesen in "Science") und verringern somit den Schädlingsbefall.

Die traditionelle Anbaumethode kommt überdies nicht nur der Tierwelt und den Farmern zugute. Im Rahmen einer neuen Studie, dessen Ergebnisse dieser Tage in der Fachzeitschrift "Current Biology" veröffentlicht wurden, haben die US-Biologen Shalene Jha und Christopher Dick von der University of Michigan in Ann Arbor die Populationsgenetik von Saquiyac-Bäumchen (Miconia affinis) in drei benachbarten Kaffeeplantagen und einem davon umschlossenen Rest Naturwald Chiapas untersucht.

Saquiyac breitet sich als Wildwuchs in den Plantagen aus, die Farmer dulden das Gewächs. Seine Beeren werden von zahlreichen Vögeln und Säugetieren gern gegessen. Die Samen passieren den Verdauungstrakt unbeschadet und landen mit dem Kot an anderer Stelle - eine effiziente Verbreitungsstrategie.

Genaue Herkunft erfragen

Jha und Dick analysierten Saquiyac-DNA aus Blattproben und stellten zu ihrem Erstaunen fest, dass die genetische Durchmischung der M.-affinis-Populationen in den Kaffeeplantagen sogar besser war als im Naturwald. Wahrscheinlich ist dies eine Folge der größeren Mobilität von plantagenbewohnenden Vögeln, so die Forscher. Auf jeden Fall zeigt das Studienergebnis, welches Potenzial der Anbau von "Schattenkaffee" für den Artenschutz hat. Die Plantagen können offenkundig auch einheimischen Pflanzenarten als Refugium und genetisches Reservoir dienen.

Leider führt die zunehmende Industrialisierung des Kaffeeanbaus zu einen Rückgang der Anzahl traditionell bewirtschafteter Flächen. Neue Züchtungen in sonnenbeschienenen Monokulturen liefern zwar höhere Erträge, aber keine bessere Qualität. Shalene Jha bittet deshalb die Verbraucher, sich über die genaue Herkunft ihres Kaffees zu informieren. "Schattenkaffee-Plantagen sind Naturwäldern so ähnlich", sagt sie. Ihr Verschwinden würde der Biodiversität enorm schaden. (Kurt de Swaaf/DER STANDARD, Printausgabe, 23. 12. 2008)