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Foto: AP Photo/Jacques Brinon

Viel hat sich verändert in der Musikbranche, seit die Peer-to-Peer Tauschbörse Napster vor zehn Jahren entwickelt wurde. Die Musikindustrie musste herbe Umsatzeinbußen hinnehmen. Sowohl für Anbieter als auch KonsumentInnen drohen rechtliche Konsequenzen. Während aber rechtliche und ökonomische Folgen illegaler Musikdownloads rege diskutiert wurden, blieben die Hintergründe bislang ausgeblendet, die frühere Kunden jenseits von gratis Musik zu "Räubern" machen. Bernhard Jäger und Markus Kudler widmeten sich im Zuge ihrer Diplomarbeit aus diesem Grund gezielt Differenzierungsmerkmalen, die NutzerInnen von legalen und illegalen Downloadangeboten unterscheiden. Um dieses Feld näher zu erforschen, wurde eine Online-Befragung zu Themengebieten wie dem persönlichen Umfeld, der Einstellung gegenüber Künstlern sowie dem Risikoempfinden in Bezug auf rechtliche Verfolgung konzipiert, durchgeführt und analysiert.

Musikdownloads aus mediensoziologischer Sicht

Als Ausgangspunkt dient die Lebenswelttheorie, die von Alfred Schütz entwickelt wurde. Diese besagt, dass die Lebenswelt, in der Menschen leben, intersubjektiv ist, also nicht nur durch das eigene Handeln bestimmt, sondern auch von Taten, Einschätzungen und Grundeinstellungen anderer beeinflusst wird. Insgesamt wurden in der vorliegenden Studie 957 gültige Fragebögen untersucht, die sich aus 570 weiblichen und 387 männlichen TeilnehmerInnen zusammensetzen. 490 Personen, etwa 51 Prozent der befragten Personen deklarierten sich als DownloaderInnen, also als Menschen, die bezahlte, unbezahlte oder beide Downloadangebote nutzen.

Das persönliche Umfeld als Einflussfaktor

Die Entscheidung, ob der Download von urheberrechtlich geschützter Musik auf legale oder illegale Weise erfolgt, hat viel mit dem Verhalten des Bekannten-, Freundes- und Familienkreises zu tun. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass rund 59 Prozent der DownloaderInnen angaben, dass in ihrem näheren Umfeld vorwiegend Peer-to-Peer Applikationen im Stile von Napster zum - meist illegalen - Musikdownload genutzt würden, während lediglich rund 13 Prozent angaben, in ihrem Umfeld kämen vor allem Business-to-Consumer Programme wie etwa iTunes zum Einsatz.

Diese Affinität zu illegalen Musikdownloads wurde auch in weiteren, konkreteren Fragen deutlich. Außerdem tendieren auch jene, die angaben sowohl legale als auch illegale Angebote in Anspruch zu nehmen, letztlich eher zur illegalen Variante. Jäger und Kudler vermuten, dass DownloaderInnen vor allem dann Musik als CD oder als legalen Download erwerben, wenn die entsprechenden Musikstücke auf illegalem Wege entweder gar nicht oder in schlechter Qualität vorhanden sind. Auch die persönliche Wertschätzung von Bonus-Materialen oder einer aufwändigen Verpackung entpuppen sich als relevante Entscheidungskriterien.

Kapitalistische Musikindustrie, selbstlose Musikschaffende?

Über die Folgen der illegalen Verbreitung urheberrechtlich geschützter Musik sind sich die befragten Personen uneins. Wie zu erwarten geht die Gruppe der DownloaderInnen von einer geringen Schädigung der betroffenen KünstlerInnen aus, da - wie aus anderen Fragen hervorgeht - ihrer Meinung nach ein Großteil der Einnahmen durch legale Downloads ohnehin durch die Musikindustrie abgeschöpft werden würde. Interessanterweise geht die Gruppe der Nicht-DownloaderInnen genau vom Gegenteil aus: hier wird bei legalen Downloads eine besonders große Wertschöpfung für KünstlerInnen vermutet.

Mögliche rechtliche Konsequenzen werden unter den DownloaderInnen eher als abschreckende Propaganda durch die - unter den Befragten im Allgemeinen nicht sonderlich beliebte - Musikindustrie interpretiert. Diese Vermutung ist nicht unberechtigt, denn bislang wurde vorwiegend gegen die gewerbliche Verbreitung illegalen Materials vorgegangen, "kleine Fische" blieben durchwegs unbehelligt.

Illegal aus Gewohnheit

Eine Besonderheit von Musikdownloads ist es, dass deren Potenzial anfangs nicht von der Musikindustrie, sondern von KonsumentInnen erkannt wurde. Später eingeführte, legale und kommerzielle Downloadangebote wie etwa iTunes hatten und haben deshalb unter dem zeitlichen Vorsprung und dem damit verbundenen "Gewohnheitseffekt" illegaler Downloadangebote zu leiden. Die breite Akzeptanz illegaler Musikdownloads geht laut Jäger und Kudler nicht nur auf technische Entwicklungen zurück, sondern basiert zu einem Gutteil auch auf einer fehlgeleiteten Kommunikation zwischen der Musikindustrie und ihren Kunden. Denn letztlich habe diese in den letzten Jahren dazu geführt, dass aus Kunden Räuber wurden und die Musikindustrie einen derart schlechten Ruf genießt.

Die Diplomarbeit gibt einen informativen Einblick in die Denk- und Handlungsweise von NutzerInnen illegaler und legaler Musikdownloads. Aufgrund der Komplexität der Thematik bleiben aber noch viele Fragen offen.

Die Diplomarbeit "Pirat oder Kunde?" Eine mediensoziologische Untersuchung über die Entscheidungscharakteristika von legalen und illegalen Musikdownloads" ist unter textfeld.ac.at im Volltext nachzulesen.