Teil 4 der Serie

Die "Sun" verhöhnt Jacques Chirac als Wurm, der "Mirror" verspottet Tony Blair als Pudel Amerikas. Zwei Boulevardblätter, zwei Bilder aus dem Tierleben, doch der Tenor könnte kaum unterschiedlicher sein.

Die "Sun" ist mit 3,4 Millionen Exemplaren Marktführer. Sie trommelt zum Krieg gegen den Irak. Bis hin zu Sonderausgaben für Frankreich mit Jacques Chirac als Wurm.

Der "Mirror" dagegen mit 2,1 Millionen Auflage läuft jeden Tag Sturm gegen den drohenden Waffengang. Er zeigt Premier Tony Blair als Schoßhund des US-Präsidenten George W. Bush ("Howdy, poodle?") und fährt eine Unterschriftenkampagne. Von Bono Vox (U2) bis Ms Dynamite unterzeichnete fast die gesamte Musikszene.

"Sun" und "Mirror" sind zwei typische Beispiele für die differenzierte Medienwelt an der Themse. Eine Faustregel hilft: Was Rupert Murdoch gehört, steht für Krieg - also "Times", "Sunday Times", "Sun" und "News of the World". "Während andere winseln und sich winden, hält er sich an seine Prinzipien", lobt die neue "Sun"-Chefin Rebekah Wade den Premier. Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass Murdoch persönlich den Kolumnisten die Linie in den Block diktiert. Auch der konservative "Daily Telegraph" des Kanadiers Conrad Black drischt lustvoll auf das "alte" Europa ein.

Ganz anders der "Guardian", traditionell das Leib- und Magenblatt der Labour-Partei. In nachdenklichen Kommentaren warnt die Zeitung vor den Konsequenzen eines Krieges. Dass eine linksliberal gesinnte Redaktion nicht automatisch die Friedensglocken läutet, zeigt der "Observer". Die renommierte Sonntagszeitung aus demselben Verlag wie der "Guardian" hat sich in einem Aufsehen erregenden Leitartikel zu einem "Ja" zu Blairs Politik durchgerungen: "Nicht, dass wir uns nicht gequält hätten", aber wenn Saddam nicht einlenke, sei eine Militäraktion die "am wenigsten schreckliche" Option.

Was richten die Blätter damit aus? Nach Auflage geben die Hardliner den Ton an, allein Murdochs vier Titel kommen auf 36 Prozent Marktanteil. Auch die öffentlich-rechtliche BBC segelte auf Kriegskurs.

Aber was sagen die Briten - zumindest laut regelmäßigen Umfragen? Mehrheitlich "Nein" zu einem Militärschlag. Und ganze 90 Prozent lehnen einen Alleingang Londons an der Seite der USA ab. (DER STANDARD, Printausgabe vom 5.3.2003)