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Sedlacek: "Sinn ist es nicht, sich totzufahren. Das Rennen soll ein Abenteuer sein." 

Einige technische Daten der Open-60-Yacht von Norbert Sedlacek gefällig?

Länge: 18,28 Meter. Wasserlinie:17,69 Meter. Breite: 5,1 Meter. Tiefgang: 4,5 Meter. Gewicht: 10 Tonnen. Maschine: Yanmar 27 PS. Segelfläche am Wind: 240 m². Segelfläche vorm Wind: 420 m². Anzahl der Segel: 8.

Foto: APA/ Sedlacek

Kerguelen/Wien - "Zugegeben", sagt Norbert Sedlacek, "Weihnachten hat etwas Bedrückendes."

Auf dem 48. südlichen Breitengrad im Indischen Ozean, fast an der Grenze der Roaring Fourties zu den Furious Fifties, 300 Seemeilen östlich des Kerguelen-Archipels und 1850 Seemeilen vor Australien verbringt der frühere Wiener Straßenbahnfahrer den 24. Dezember. Und er verbringt ihn auf der "nauticsport-kapsch", so heißt seine Open-60-Yacht, sie hat sich ihren Namen nicht aussuchen können. Ringsum Meer, so weit das Auge reicht, die Familie unendlich weit weg, das Ziel unendlich weit weg. Schöne Bescherung.

Genau diese Bescherung hat Sedlacek sich ausgesucht. Zumindest ist sie Teil des extremen Segelrennens "Vendée Globe", an dem Sedlacek teilnimmt. Seit 45 Tagen ist der 46-Jährige unterwegs, in Les Sables d'Olonne an der französischen Atlantikküste stach am 9. November die 30 Yachten starke Flotte in See. Zwölf Teilnehmer haben bereits aufgegeben, Sedlacek liegt an 18. Stelle, er sieht sich nicht als Schlusslicht, verweist auf die Gescheiterten.

Der Vendée-Globe-Kurs führte, grob gesagt, zunächst gen Süden, seit dem Kap der Guten Hoffnung geht's nach Osten, bald werden Australien und Neuseeland im Norden liegengelassen, durch den Pazifik geht es weiter und ums Kap Hoorn, dann durch den Atlantik wieder retour nach Norden und zum Ausgangspunkt nach Frankreich. 120 Tage lang will Sedlacek unterwegs sein, das war das dritte Ziel, das er sich gesteckt hat. Das zweite Ziel war ein Platz um Rang 20, das hat er quasi schon erreicht. Das erste Ziel war das wichtigste, es hieß Ankommen.

Es gibt immer etwas zu tun

2004 hatte Sedlacek wegen einer gebrochenen Kielaufhängung nach 3700 Seemeilen aufgeben und in Kapstadt notlanden müssen. Nun liegt schon circa ein Drittel der gut 24.000 Seemeilen hinter ihm. Er hat täglich Kontakt mit daheim, telefoniert mit seiner Lebensgefährtin Anita, die in seinem Team für die PR zuständig ist, ab und zu auch mit den Eltern, mit guten Freunden, führt auf seiner Homepage ein Logbuch. Beobachtet das Radar, checkt E-Mails, studiert Regatta-Daten, hört Musik. Pflegt sein Material, pflegt seinen Körper. "Zähneputzen täglich, rasieren jeden zweiten Tag." Eine Dusche gibt es nicht, Sedlacek greift zu Feuchttüchern. Seine Nahrung besteht aus Teigwaren, Müsli, Schokolade, vorgekochten Reisprodukten, Trockenobst, ab und zu gibt's etwas aus der Konserve.

Wenn der Wind zulegt, hat Sedlacek oft an Deck der 18,28 Meter langen Yacht zu tun. In den Vierzigern legt der Wind gerne zu. "Ich bin ausgepowert", sagt der Skipper, "aber Gott sei Dank von Krankheiten bis jetzt verschont geblieben." Ein ernsthaftes medizinisches Problem würde ihm erlauben, den Regatta-Arzt zu kontaktieren, ansonsten ist Hilfe von außen untersagt. Wieso einer, der einen sicheren Beamten-Job hatte, sich das antut? "Es ist die Herausforderung, sich mit der Natur zu messen." Diese Herausforderung bot die Bim-Linie 46 auf ihrer Route durch Ottakring eher selten.

Um Spitzenplätze konnte und wollte Sedlacek von vornherein nicht mitsegeln. Seine Yacht, Baujahr 95, kommt mit den modernen Carbon-Flitzern nicht mit. Dafür ist sie stabiler. Diverse Havarien haben sich schon ereignet, auch drei Entmastungen, zwei Ruderbrüche. Der Franzose Yann Elies, der sich bei einem missglückten Manöver einen Oberschenkelbruch zuzog, musste zwei Tage ausharren, ehe er geborgen werden konnte. Sedlacek kritisiert die Tempojagd an der Spitze. "Sinn ist es nicht, sich totzufahren. Das Rennen soll ein Abenteuer sein."

Es gibt keinen Stress

Für den 24. war eher ruhiges Wetter angesagt. Die Feier mit der Familie, sagt Sedlacek, gehe ihm schon ab. Einander per Telefon zu gratulieren, sei nicht dasselbe. Er wird Geschenke auspacken, die er mitbekommen hat. Sich eines der kleinen Flascherln (Rotwein, Sekt) für besondere Anlässe genehmigen, den Teigwaren etwas Fisch aus der Konserve beimengen. Musik hören wird er, sinnieren wird er. Der Stress, den viele Menschen sich und anderen machen, fehlt ihm nicht. "Weihnachten ist für mich so besinnlich, beschaulich, ruhig, wie es sein sollte", sagt Norbert Sedlacek. "Weihnachten hat durchaus auch seinen Reiz." (Fritz Neumann, DER STANDARD, Printausgabe, Mittwoch, 24. Dezember 2008)