Eine neuzeitliche babylonische Verwirrung folgte den Aussagen von Kardinal Christoph Schönborn in der ORF-Pressestunde am Sonntag, wo er sich für eine Aufnahme irakischer Flüchtlinge eingesetzt hatte, und zwar bevorzugt von christlichen Flüchtlingen. Geht das überhaupt, kann sich ein Land die Flüchtlinge aussuchen, und wenn schon verständlich sein mag, dass eine Religionsgemeinschaft sich besonders für "die ihrigen" einsetzt, wie sieht das bei einem säkularen Staat aus?

Für Innenministerin Maria Fekter sind, wie sie am Dienstag betonte, hingegen ganz allgemein schon genügend Flüchtlinge in Österreich, das ist so weit bekannt. Sie erstaunte jedoch durch die (von der APA kolportierte) Behauptung, dass die meisten der von Schönborn erwähnten "72.000 irakischen Flüchtlinge, die derzeit in Lagern in Jordanien untergebracht" seien, Palästinenser seien.

Abgesehen davon, dass Schönborn neben Jordanien auch Syrien erwähnte: Es stimmt, dass nach 2003 auch Palästinenser aus dem Irak flüchteten, Hunderte von ihnen strandeten in Lagern im Niemandsland zwischen Irak und Syrien und zwischen Irak und Jordanien. An der syrischen Grenze warten 2600 noch immer auf ein Asylland. Aber gerade im von Fekter erwähnten Jordanien gibt es nach Auskunft des UNHCR keine palästinensischen Flüchtlinge aus dem Irak mehr, die letzten 100 wurden 2007 von Brasilien aufgenommen.

Was laut Fekter daraus folgen soll, wenn ein Flüchtling aus dem Irak Palästinenser ist? Schweden und Chile haben sich jüngst bereiterklärt, welche aufzunehmen. Übrigens gibt es auch christliche Palästinenser. Jedenfalls hat Kardinal Schönborn natürlich völlig recht: Es sitzen an die zwei Millionen irakische Flüchtlinge vor allem in Syrien und Jordanien fest, und Zehntausende davon sind Christen.

Bei einer sich allgemein verbessernden Sicherheitslage im Irak hat sich für die Christen besonders in und um Mossul, einer alten Christengemeinde im Nordirak, die Situation erst jüngst wieder verschlechtert. Araber und Kurden beschuldigen einander, hinter Attacken zu stehen, um durch die Vertreibung von Minderheiten ihre eigene Gruppe demografisch zu stärken - wobei aber auch viele irakische Christen vor Angriffen islamistischer Extremisten, Sunniten und Schiiten gleichermaßen, nach Kurdistan flüchten. Dort wächst also die Zahl der Christen eher. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, Printausgabe, 24./25./26.12.2008)