Hinter Reiseleitern, die bunte Fähnchen schwenken, schleppen sich Touristengruppen keuchend die steile Straße zum Krippenplatz hinauf, die Souvenirhändler passen die Sprache ihrer Lockrufe den vermuteten Herkunftsländern an, Russisch scheint vorzuherrschen. Weltwirtschaftskrise hin und Spannungen im Gazastreifen her - ausgerechnet Bethlehem, dessen Bürger viele Jahre lang in der Vorweihnachtszeit immer nur düster die Köpfe hängen ließen, scheint jetzt zu boomen. "Alles ist großartig", strahlt John Abu Eita, der in seinem Laden Devotionalien aus Olivenholz und Perlmutt, aber auch Batterien und Speicherkarten feilbietet. "Vor zwei Jahren war es schlecht, das vorige Jahr war ganz nett, und dieses Jahr war wunderbar, Gott sei Dank!"

Neben dem zehn Meter hohen Weihnachtsbaum vor der Geburtskirche berichtet auch der Fremdenführer Nasser Alawi, dass er jetzt "gute Arbeit" hat - "alles ist friedlich, es gibt keine Probleme, das einzige, was wir brauchen, ist, dass die Wirtschaftslage in der Welt besser wird." Und die Statistiken der Tourismusbehörden bestätigen den Eindruck. Das Städtchen, das in der Intifada noch Kampfzone war, wird heuer bis zum Jahresende gut 1,25 Millionen Besucher angezogen haben, also fast doppelt so viele als 2007.

Eine Erklärung für den Umschwung liegt darin, dass Palästinenserpräsident Mahmud Abbas mit der Unterstützung des Westens und Israels das Westjordanland politisch besser in den Griff bekommen hat. "Es gibt jetzt viel mehr Recht und Ordnung in allen palästinensischen Städten", meint der 73-jährige Victor Batarseh, ein katholischer Christ, der als Bürgermeister die Weihnachtsvorbereitungen in Bethlehem koordiniert. "Die politische Stimmung ist gut - unser Präsident und Premier arbeiten für den Frieden, und das macht alles leichter für uns."

Sogar die Abwanderung der Christen, deren Bevölkerungsanteil im Raum von Bethlehem seit Jahrzehnten ständig sinkt, sei jetzt gestoppt. Batarseh freut sich darüber, dass anders als in den letzten Jahren heuer immer genug Geld in der Stadtkasse war, um die Gehälter der Gemeindebediensteten zu bezahlen. Just in Zeiten wie diesen träumt er von spektakulärem Wachstum: "Wir haben 5000 Hotelbetten, die voll sind - wir würden sogar bis zu 30.000 Betten brauchen, ich hoffe, dass jemand in den Bau von Hotels in Bethlehem investieren wird."

Die Klagen über "die Besatzung" und über die Isolierung von Jerusalem sind in Bethlehem natürlich noch immer zu hören. Aber zur Entspannung trägt auch bei, dass man sich jetzt doch etwas leichter bewegen kann. Unten in der Grotte, wo der Überlieferung nach Jesus Christus geboren wurde, stimmt ein palästinensischer Pfarrer mit seinen Schäfchen Gesänge an. Es sind griechisch-melchitische Christen aus Ramallah.

Wegen des Umwegs um Jerusalem hat die Fahrt eine Stunde gedauert, sie mussten zwei Kontrollposten passieren, immerhin, sie haben keine besondere Genehmigung gebraucht. An dem Grenzterminal, wo man von Jerusalem kommend die israelische Sperranlage passiert, wird jeder, der einen ausländischen Pass in der Hand hält, jetzt einfach durchgewunken. (Ben Segenreich aus Bethlehem/DER STANDARD, Printausgabe, 24./25./26.12.2008)