Moskau - Angesichts des Streits um unbezahlte Rechnungen stehen die russischen Gaslieferungen an die Ukraine nach Ansicht des Energieriesen Gazprom auf der Kippe. Es stehe "50 zu 50", dass die Lieferungen zum 1. Jänner eingestellt würden, sagte Gazprom-Sprecher Sergej Kuprijanow am Samstag dem Sender Moskauer Echo. Die Verhandlungen konzentrierten sich nun darauf, für die Ukraine andere Möglichkeiten zur Begleichung ihrer Schulden zu finden. So könnten sie etwa mit den Transitgebühren verrechnet werden, die das Land für die Durchleitung von russischem Gas in den Westen verlangt.

Ukraine lehnt Schuldenzahlung ab

Damit schlug Gazprom erneut etwas mildere Töne an: Der russische Gasmonopolist Gazprom bot der Ukraine an, seine Schulden von umgerechnet etwa 1,4 Milliarden Euro mit den Gebühren zu bezahlen, die das Land für die Durchleitung russischen Gases nach Europa erhält. Die Ukraine hat diese Möglichkeit bisher abgelehnt.

Gazprom fordert vom staatlichen ukrainischen Gasversorger Naftogaz insgesamt 2,4 Milliarden Dollar (rund 1,8 Milliarden Euro) für Lieferungen im November und Dezember sowie Mahngebühren wegen Zahlungsverzugs. Die Ukraine warnte aber laut Gazprom bereits davor, dass sie die Rechnungen nicht bis zum Jahresende begleichen könne. Die Verhandlungen werden dadurch erschwert, dass Russland den von der Ukraine geforderten Gaspreis an den Preis für westliche Länder anpassen will. Während Naftogaz derzeit 179,50 Dollar pro 1000 Kubikmeter Erdgas zahlen muss, könnte der Preis 2009 auf 400 Dollar steigen. Kuprijanow sagte im Interview mit dem Moskauer Echo lediglich, dass der Preis steigen werde, ohne jedoch konkrete Angaben zu machen.

Gaslieferungen beeinträchtigt

Der Gasstreit zwischen den beiden Nachbarländern bereitet auch Westeuropa Sorgen, da 80 Prozent des in Europa verbrauchten russischen Gases über die Ukraine exportiert werden. Gazprom-Chef Alexej Miller schloss in einem Brief an seine europäischen Kunden eine Beeinträchtigung der Gaslieferungen wegen des Streits mit der Ukraine nicht aus. Ein früherer Streit zwischen den beiden Ländern über die Gaspreise hatte im Jänner 2006 die Lieferungen in eine Reihe europäischer Länder kurzzeitig verzögert.

Der russische Präsident Dmitri Medwedew hatte die Ukraine erst kürzlich aufgefordert, seine Schulden "bis auf den letzten Rubel" zu bezahlen, und dem Land Sanktionen angedroht. Russland zahlt derzeit umgerechnet 1,20 Euro für die Durchleitung von 1000 Kubikmeter Gas pro 100 Kilometer. Gazprom bot der Ukraine ebenfalls an, zur Bezahlung seine unterirdischen Gasreserven an Russland zu übergeben, die es für den Fall eines russischen Lieferstopps angelegt hat. (APA/AFP/Reuters, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.12.2008)