Bild nicht mehr verfügbar.

Über allen Wipfeln geht's zu. Im Oberstdorfer Flutlicht beginnt heute die 57. Tournee, im Bischofshofener Flutlicht soll sie am 6. Jänner entschieden sein.

Foto: APA/EPA/Schrader

Oberstdorf- Sich hinter Simon Ammanns schmächtiger Gestalt zu verstecken, ist prinzipiell nicht einfach. Doch vor dem Auftakt der 57. Vierschanzentournee am Montag in Oberstdorf schien die Möglichkeit, hinter dem 1,72 Meter hohen und 58 Kilogramm schwere Schweizer Deckung zu suchen, sehr verlockend. Schließlich gilt der 27-Jährige als erster Anwärter auf die Nachfolge Janne Ahonens, der im März dieses Jahres drei Monate nach seinem rekordträchtigen fünften Tourneesieg das Skispringen sein ließ, um sich um seine Familie und seine Firma zu kümmern sowie dem finnischen Fernsehen als Experte zu dienen.
Ammann, der in der noch jungen Saison mit vier Siegen seine Gesamtausbeute im Weltcup auf sieben Erfolge mehr als verdoppelt hat, gibt sich vor dem Springen auf der Schattenbergschanze auch gar keine Mühe, die Favoritenrolle von sich zu weisen. "Auch wenn ich mit dem Wort Favorit nichts anfangen kann. Aber es muss schon einiges passieren, dass mir etwas in die Quere kommt" , sagt der Doppelolympiasieger 2002 und regierende Großschanzenweltmeister. Er lächelt dabei gewinnend.

Wohl nur das Schweizer Ein-Mann-Team - Ammanns Kollege Andreas Küttel springt der Musik in dieser Saison noch hinterher - kann dafür sorgen, dass Andreas Widhölzl Österreichs letzter Tournee-Gesamtsieger bleibt. Der mittlerweile 32-jährige Tiroler sicherte sich 1999/2000 die 48. Auflage mit drei Tageserfolgen (Garmisch, Innsbruck, Bischofshofen).
"Damals" , sagt Österreichs aktueller Cheftrainer Alexander Pointner, "war ich Co-Trainer von Alois Lipurger. Er hat vor der Tournee ein Kribbeln gespürt, wie ich es heute auch spüre. Und heute haben wir eine Mannschaft, die vermutlich noch besser ist als die damalige." Das ist mutig gesagt, schließlich sprang unter Lipburger, der im Februar 2001 tödlich verunglückte, auch noch Andreas Goldberger auf höchstem Niveau. Aber Pointner hat in Gregor Schlierenzauer, Wolfgang Loitzl und Thomas Morgenstern gleich drei Mann, die um den Gesamtsieg mitplaudern können.

Schlierenzauer, der Ammann mit zwei Weltcupsiegen bisher am nächsten kam, versichert ausdauernd, dass die Tournee sein größtes Saisonziel sei. Die Erfahrung der verwichenen Saison, als er nach Ausfall des Innsbrucker Springens quasi als Halbzeitführender nach Bischofshofen gekommen war, um dann doch noch abzustürzen, hat ihn gelehrt, dass man neben großer Form "auch Glück braucht. Die Tournee ist kein Kindergeburtstag".

Oberstdorf, mein Oberstdorf

Der bald 19-Jährige geht es im Oberallgäuer Kurort "mit Freude an. Meine schlechteste Obersdorf-Platzierung war ein vierter Rang." Hier gewann er 2006 sein erstes Tourneespringen, hier, wenn auch auf der Heini-Klopfer-Schanze, war er im Februar dieses Jahres im Einzel und mit dem Team Weltmeister im Skifliegen.
Auch Morgenstern, dem Weltcup-Gesamtsieger, fällt zu Oberstdorf einiges ein, zu allererst natürlich sein Tournee-Auftaktsieg am 30. Dezember 2007. Dass er in dieser Saison noch nicht aufs Podest hüpfen konnte, ficht den 22-Jährigen nicht an. "Ich bin Fünfter im Weltcup. Besser platziert habe ich nur im Vorjahr die Tournee begonnen." Pointners deutscher Co-Trainer Marc Nölke mag sich auf Morgenstern beziehen, wenn er sagt, dass ein Saisonstart wie im Vorjahr gar nicht gewünscht gewesen sei. "Wir schrauben da noch an der motorischen Feinstform."

Wolfgang Loitzl ist indes ziemlich sicher, bereit zu sein. "Ich springe jetzt schon so lange einem Weltcupsieg nach, aber wenn ich die Tournee ohne Tageserfolg gewinne, kann ich gut und gerne noch länger warten. Ich zähle sicher zum erweiterten Favoritenkreis." Der Bad Mitterndorfer, der vor zehn Jahren seine erste komplette Tournee bestritt, hat mit drei zweiten Plätzen den besten Saisonauftakt seiner Karriere hinter sich. Der 28-Jährige absolvierte große Teile der Vorbereitung mit dem B-Kader. "Da hatte ich mehr Ruhe, stand nicht in ständiger Konkurrenz mit den Jungen." Möglich, dass der zweifache Familienvater so auch einem Generationenkonflikt vorbeugte.

Athletisch ist Loitzl die Nummer eins im Team, der Mann mit dem kräftigsten Absprung. Und stilistisch, vor allem was die Landung betrifft, ist er ein Ästhet. "Vielleicht lassen die Sprungrichter einmal ein paar 20er aus" , hofft Loitzl. (Sigi Lützow aus Oberstdorf - DER STANDARD PRINTAUSGABE 29.12. 2008)