Salzburg/Wien - Eigentlich müsste es zum Jahreswechsel bedeutend leiser zugehen, als bisher gewohnt: Laut Pyrotechnikgesetz ist das Zünden von Feuerwerken und Böllern der Klasse II im Ortsgebiet untersagt. In die Klasse II der Kleinfeuerwerke fällt neben kleinen Raketen mit dem Schweizer Kracher auch die silvesterliche Hauptlärmquelle. Für Besitz und Verwendung der höheren Klassen III und IV - Mittel- und Großfeuerwerk - ist eine gesonderte behördliche Bewilligung erforderlich.

Dass es aber in der Silvesternacht und vielerorts auch schon die Tage davor blitzt und kracht, liegt laut AK-Konsumentenschützer Johann Maier an zu liberalen Verkaufsregelungen in Österreich. Der SPÖ-Nationalratsabgeordnete verweist auf die Beispiele Schweiz und Deutschland. In der Schweiz sei der Verkauf von Schweizer Krachern an Private überhaupt verboten, in Deutschland sei die Abgabe an Privatpersonen auf die Zeit von 29. bis 31. Dezember beschränkt. In Österreich ist der Verkauf an Personen über 18 generell frei.

Hohe Gesundheitsgefährdung

Verkaufsbeschränkungen für die kleinen Böller "zumindest wie in Deutschland" möchte Maier auch in Österreich festschreiben. Dies soll im Zuge der Umsetzung einer entsprechenden EU-Richtlinie bis 2010 geschehen, so Maier. Der Konsumentenschützer argumentiert mit der extrem hohen Gesundheitsgefährdung durch die unkontrollierbare Knallerei. Auch wenn es keine österreichweiten Daten beim Gesundheitsministerium gebe, führten doch verschiedene Spitäler Statistiken. Im AKH-Wien etwa würden in der Neujahrsnacht jährlich etwa 200 Kinder mit Augen-, Ohren- oder Handverletzungen in die Notaufnahmen eingeliefert.

Im Bundesgebiet werde die Zahl von - teils irreversiblen - Gehörschäden auf rund eintausend geschätzt. Bei den Barmherzigen Schwestern in Linz würden zu Silvester rund 100 Hörstürze und Knalltraumata registriert. Strafrechtlich verfolgt wird nur ein Bruchteil der Verletzungen. Silvester 2007/2008 wurden gerade einmal 36 Unfälle durch Feuerwerkskörper mit Personenschaden angezeigt. Insgesamt wurden 49 Strafanzeigen wegen Körperverletzung bei Gericht eingebracht.

Mediziner fordern Verbot von Feuerwerken

Durch Kracher und Raketen werden zu Silvester die Feinstaubwerte wieder in die Höhe schnellen. Mediziner fordern sogar ein Verbot von Feuerwerken.  Besonders dramatisch sei Silvester 2005/2006 gewesen, als der Feinstaubwert um das Siebenfache explodierte.  Der Anstieg der Feinstaubbelastung durch Raketen und Knaller sei klar belegbar, so die Luftgüteüberwachungszentrale. So ließen sich etwa in Graz, an unterschiedlichen Stationen gemessen, Anstiege vom 30. Dezember bis zum 1. Jänner zwischen 250 und 700 Prozent nachweisen.

Deutlich mehr Anzeigen gibt es nach dem Pyrotechnikgesetz. Zum vergangenen Jahreswechsel wurde über 700 Mal wegen verbotener Verwendung oder auch wegen unsachgemäßer Lagerung Anzeige erstattet. Der jüngste Fall: Am Montag wurden im Tiroler Volders gleich 400 Kilogramm Feuerwerkskörper beschlagnahmt. Diese hatte ein 28-Jähriger ungesichert im Keller seines Wohnhauses gelagert.

Illegale Importe

Ausländischer Böller und Kracher, die illegal importiert werden, entsprechen oft nicht dem Pyrotechnikgesetz entsprechen und seien sehr gefährlich, warnte auch Thomas Csengel vom Entschärfungsdienst des Bundeskriminalamtes am Montag im Ö1-Morgenjournal. Der Kauf solcher Feuerwerkskörper könne zudem teuer werden, so Csengel. Das Pyrotechnikgesetz sehe bis zu 2.200 Euro Geldstrafen vor.

Csengel warnte im Radio zudem vor der Manipulation an Feuerwerkskörpern. Diese sollten nur beim Fachhändler gekauft werden. Auch im Supermarkt wird von Experten kontrollierte Qualitätsware verkauft. Grundsätzlich gelte, dass nur einwandfrei aussehende Produkte, entsprechend der Gebrauchsanweisung verwendet werden sollten. Blindgänger sollten niemals ein zweites Mal angezündet werden. Auch auf den Silvesterpfaden ist der Einsatz von Feuerwerkskörpern streng verboten, betonte Csengel.

Die Anzeigenstatistik der vergangenen Silvestertage zeigt laut dem ORF-Bericht übrigens dramatische Zuwächse: In der letzten Silvesternacht gab es 51 Strafanzeigen wegen Körperverletzungen durch Kracher und Raketen und damit knapp ein Drittel mehr als im Jahr zuvor.

Böller aus Kinderarbeit

Die in Österreich verkauften Leuchtraketen stammen fast zur Gänze aus China - und häufig aus Kinderarbeit. Darauf machte die Don-Bosco-Hilfsaktion "Jugend Eine Welt" am Montag aufmerksam. "Die Bedingungen in der Feuerwerkskörper-Produktion sind oft menschenverachtend", betonte Geschäftsführer Reinhard Heiserer. Das "Reich der Mitte" ist der weltweit größte Feuerwerksproduzent, danach kommen Indien und einige lateinamerikanische Staaten wie Peru, Guatemala und El Salvador.

Die wenigsten denken beim Kauf darüber nach, unter welchen Umständen die Feuerwerkskörper hergestellt wurden. "Die Feuerwerksindustrie ist eine Industrie der Armen", so Heiserer. Gesetze, die den Umgang mit den gefährlichen Inhaltsstoffen der Silvesterknaller regeln und für die Sicherheit bei der Produktion sorgen könnten, gibt es entweder nicht oder sie werden oft ignoriert. Kontrolliert würden meist nur Exportfirmen, erklärt Heiserer. Damit diese aber mit den niedrigen Preisen mithalten können, lassen sie die Feuerwerkskörper zum größten Teil in Heimarbeit anfertigen, wo niemand Kontrollen durchführt. Häufig sind dann auch Kinder an der Produktion beteiligt.

"Es ist ein offenes Geheimnis, dass viele Kinder in der Feuerwerkskörper-Industrie beschäftigt werden", berichtete P. Savio Silveira, der das Projektbüro der Salesianer Don Boscos in Bombay leitet. Die Salesianer Don Boscos betreiben in ganz Indien Schulen, Ausbildungs- und Straßenkinderzentren, um benachteiligten Kindern eine Alternative zum Leben auf der Straße und zur Kinderarbeit anzubieten. (Thomas Neuhold, DER STANDARD-Printausgabe, 30.12.2008/APA/red)