Was macht Robert Crumb dieser Tage? Was treibt der Mann, der in den Sechzigerjahren die Gattung der Underground-Comics mit eta-blierte und perfektionierte? Der in nie dagewesener Manier Bildergeschichten zur Analyse der ihn umgebenden Kultur und der eigenen Befindlichkeiten nutzte; der also Hippies und Gurus, Kleinbürger, Kraftmeier, und überhaupt die ganze amerikanische Kultur in jeder Form bis zur Kenntlichkeit karikierte?
Er lebt zurückgezogen in Südfrankreich, zeichnet - manchmal auch mit Frau und Kind Episoden wie jüngst im New Yorker über ihrer aller Reise zu einem Familientreffen in Minnesota - und illustriert gerade wortgetreu und unironisch das erste Buch der Bibel, die Genesis.
Nur gelegentlich wird er gesprächig, wie an zwei Abenden im Museum am Ostwall bzw. an der Amerikanistik der TU Dortmund. Zu danken ist das einer Studentin, die eine Dissertation über ihn schreibt und ihn zur Anreise überredet hat. Ein akademisches Pendant also zu den steigenden Kursen seiner Bilder auf dem Kunstmarkt, zur Verehrung seiner peniblen Tuschetechnik, geschult an klassischer Gravur.
Nun sind also, ohne dass viel angekündigt wurde, mehr Leute gekommen, um ihm zuzuhören, als die Räume fassen. Crumb gibt Entwarnung: Nein, versöhnt ist er nicht mit der real existierenden Kulturindustrie. Die Bibel-Illustrationen macht er vor allem, weil er 200.000 Dollar dafür bekommt - aber jetzt, wo er merkt, wie viel Arbeit das ist, bereut er schon wieder, "da verdiene ich weniger als ein Installateur" . Außerdem: So richtig zufrieden werden wohl weder die Christen noch die Juden sein, dafür ist seine Genesis nicht brav genug, "das ist wie mit den Linken: Denen kann man es nie recht machen."
"Bob Dylan ist ein Fake"
Das will er auch gar nicht. Der 65-jährige Crumb führt vor, was manche der Anwesenden nur kennen, weil bereits ihre Eltern die Strips heimlich und mit ungläubigem Staunen verschlungen haben. An Beispielen zeigt er seine Entwicklung vom Lehrling seines Bruders, der ihn zum Verfertigen von Comics anhielt, zum Gegenkultur-Star. Das Cover von Janis Joplins Cheap Thrills trug zu seinem Ruhm bei, auch der frühe Comic Fritz the Cat in der von ihm verabscheuten Trickfilmadaptation ("It's crap!" ) und Terry Zwigoffs Dokumentarfilm Crumb (1994). Um daraufhin nicht erkannt zu werden, ließ er sich einen Bart wachsen.
Der ist inzwischen weiß. Zusammen mit seiner dünnen Krawatte, der Schäfermütze und den Sandalen ergibt das etwas kurios Unzeitgemäßes. Erst recht entwindet sich Crumb voreiliger Kategorisierung, wenn er auf Musik zu sprechen kommt. West Coast Rock? "I hate it!" Bob Dylan sei ein Fake, der nicht singen kann. Und Joan Baez? "Five hundred miiiiiles .... oh, please!" Lieber zupft er auf der Bühne mit Country-Musikern aus dem Ruhrgebiet die Mandoline. Und Walter Grünzweig, Grazer Amerikanistik-Chef in Dortmund, kann ihm keinen größeren Gefallen tun, als ihn in seiner Kiste von Schellacks mit Blues und Country aus den Dreißigerjahren wühlen zu lassen.
Wenig übrig hingegen hat Crumb für die (US-amerikanische) Gegenwart. Wenn er gemeinsam mit Frau Aline und Tochter Sophie, beide ebenfalls als Comics-Künstler tätig, seine Reise nach Minnesota rollenverteilt schildert (siehe links), dann mischt er Spott mit transatlantischer Distanz - und mit seinen Obsessionen. Er nutzt sie als kreative Nahrung, kaschiert nicht altersmilde das Leiden an seiner Kindheit. "Mein Leben ist ein offenes Comic-Buch", sagt er und lacht, obwohl es sicher nicht nur lustig ist.
Ob die Bibel-Illustrationen eine Rückkehr zum Katholizismus seiner Kindheit seien, wird er gefragt. "Ich hab ihn heftig abgelehnt", sagt er, "und das ganze verquere sexuelle Zeug in meiner Arbeit hat wohl mit den Schulschwestern zu tun, die mich gequält haben. Irgendwie bleibt es aber an einem hängen."
"Vielleicht sind die Comics nur eine Art Narzissmus" , sagt er noch und lacht. "Ich weiß es selbst nicht. Please love me!!" (Michael Freund aus Dortmund, DER STANDARD/Printausgabe, 30.12.2008)