Wien - Im Jänner wird die neue Institution, die den Namen des 2003 verstorbenen "Nazijägers" Simon Wiesenthal trägt, ihren Bürobetrieb aufnehmen. Vorerst in Räumlichkeiten der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), weil das Palais Strozzi in der Josefstädter Straße erst adaptiert werden muss. Um 1,3 Millionen Euro, die der Wiener Gemeinderat im Dezember 2008 der neuen Einrichtung als Förderung zuerkannt hat.

Doch nicht die Suche nach Nazi-Tätern, wie sie die "Simon Wiesenthal Center" in den USA und Israel leisten, wird Aufgabe des "Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust Studien" sein. "Unsere Arbeit soll vielmehr einen Anlaufpunkt für die Shoah-Forschung in Österreich schaffen. So wollen wir international renommierte Forscher nach Wien bringen", sagt Ingo Zechner, seit wenigen Wochen Geschäftsführer des Instituts.

Bisher, so Zechner, habe so ein Schwerpunkt in Österreich gefehlt. Dabei könne man gerade aus mitteleuropäischer Perspektive "die Forschung über die Nazi-Täter mit jener zur Shoah und deren Opfern verbinden", ergänzt Bertrand Perz vom Uni-Institut für Zeitgeschichte. Der Antisemitismus, der letztlich zur Judenvernichtung in der Nazizeit führte, habe in Österreich seine pseudowissenschaftliche Form gefunden.

Und in Archiven liege noch jede Menge Forschungsmaterial brach, das bisher nur bei Restitutionsverfahren eingesehen worden sei: In dem vor 60 Jahren nach Jerusalem gebrachten Teil des IKG-Archivs, das man in Mikrofilmversion hierher zurückbringen will, ebenso wie in dem 2000 wiedergefundenen "Bestand Herklotzgasse": IKG-Unterlagen aus der NS-Zeit, durchmischt mit älterem Material, etwa der "Selbsteinschätzung der Kultussteuer von Sigmund Freud".

Im Palais Strozzi soll dieser Fundus mit Wiesenthals eigenen, rund 8000 in Wien gesammelten, Akten über NS-Täter und NS-Verbrechen zusammengeführt werden. Ein Plan, den der Mann, der am 31. Dezember 2008 genau 100 Jahre alt würde, selbst mitentwickelt hat.

1908 in einer jüdischen Familie im galizischen Buczacz geboren, hatte Simon Wiesenthal in Prag Architektur studiert. Bis 1941 arbeitete er als Bauingenieur, dann wurde er von den ins Gebiet der heutigen Ukraine vorrückenden Deutschen verhaftet und ins Konzentrationslager gebracht.

Die Täter der Strafe zuführen

In der Folge überlebte er zwölf KZs - und schwor sich, NS-Täter einer strafrechtlichen Verfolgung zuzuführen. Nach der Befreiung aus dem KZ Mauthausen arbeitete er für das "U.S. War Crime Service". In Linz lag sein Büro nur zwei Häuser vom Wohnort Adolf Eichmanns entfernt, der als ei- ner der Hauptverantwortlichen für die Ermordung von sechs Millionen europäischen Juden gilt. Eichmann wurde später in Israel zum Tode verurteilt und exekutiert.

Wiesenthal gelang es, einer Reihe von NS-Tätern habhaft zu werden, darunter etliche Österreicher. Das offizielle Österreich, von der Ablehnung Wiesenthals durch Ex-Bundeskanzler Bruno Kreisky und der Waldheim-Affäre beeinflusst, mied ihn lange. Erst in den 90er-Jahren begann man, ihn zu ehren. Nach Gründung des Wiesenthal Instituts wäre es jetzt an der Zeit, über einen weiteren Schritt nachzudenken, sagt Perz: "Über eine Uni-Professur zur Holocaust-Forschung." (bri, DER STANDARD, 31.12.2008/1.1.2009)