Barack Obama ist wahrlich nicht zu beneiden: Auf ihm ruhen nicht nur die Hoffnungen von Millionen US-Amerikanern, sondern der ganzen Welt. Sein "Yes, we can" hat so hohe Erwartungen geweckt, die er als US-Präsident unmöglich alle erfüllen kann: Guantánamo, die Lügen vor dem Angriff auf den Irak und das Desaster danach, Abu Ghraib, der als Heimatschutz getarnte Abbau der Bürgerrechte, die rücksichtslose Staatsverschuldung - George W. Bushs Politik hat so viel Unmut, ja Empörung entstehen lassen, dass Änderungen geradezu herbeigesehnt werden.

Bisher gibt es von Obama Absichtserklärungen wie diese in seiner Berliner Rede: "Es gibt zur Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen den Nationen keine Alternative." Das ist eine klare Aussage. Aber auch den neuen Hoffnungsträger wird man an seinen Taten messen müssen: Die Vorbereitungen für einen Rückzug aus dem Irak sind ein positives Zeichen. Andere müssen folgen - und ihm wird keine Schonfrist zugestanden.

Durch die israelischen Militäraktionen im Gazastreifen steigt der Erwartungsdruck auf den neuen Präsidenten der einzig verbliebenen Supermacht, rasch im Nahen Osten tätig zu werden. Es ist kein Zufall, dass die israelische Offensive drei Wochen vor der Amtsübergabe in Washington stattfindet und sich der noch amtierende US-Präsident Bush zurückhält. Davon profitiert die UNO, deren Stellungnahmen dadurch mit mehr Aufmerksamkeit wahrgenommen werden. Eigentlich warten aber alle auf Obama, wie er den Konflikt einschätzt, was die USA zu tun gedenken. Viel hängt von seinen ersten Wortmeldungen ab.

Wunder kann Obama gerade in Zeiten der Finanzkrise nicht vollbringen: weder in der Welt, noch zu Hause. Dort vor allem deshalb nicht, weil ihm finanziell weitgehend die Hände gebunden sind. Das US-Haushaltsdefizit ist mit 455 Milliarden Dollar schon jetzt enorm hoch und wird 2009 noch einmal stark steigen. Er wird deshalb viele seiner Versprechen nicht sofort umsetzen können.

Er kann jedoch das zuerst in Angriff nehmen, was im Prinzip nichts kostet. Und das heißt vor allem, die Finanzmärkte stärker zu regulieren und die Aufsicht zu reformieren. Später, wenn die Wirtschaft wieder in Schwung kommt, kann er die Wende in der Energiepolitik einleiten, um die Abhängigkeit von Import-Öl zu reduzieren - indem er auf alternative Energien und Biokraftstoffe setzt. Er wird auch auf eine Gesundheitsreform setzen, um für Ärmere eine bezahlbare medizinische Versorgung zu gewährleisten.

Obama kann aber - die Sympathiewelle nutzend - vom ersten Amtstag an eine Aufbruchstimmung erzeugen: im eigenen Land und damit auch in der Welt. Denn dass mit ihm der erste afroamerikanische Präsident in das Weiße Haus einzieht, ist eine Zäsur.

In Österreich ist dererlei durch den Urnengang ausgeblieben. Die inzwischen geschrumpfte große Koalition regiert weiter. Eine Alternative ist nicht in Sicht. Aber, um beim Positiven zu bleiben: Dass nicht der Dauerstreit in der Regierung das Land wie Mehltau lähmt, ist ein Fortschritt. Ob die neue Harmonie zu einer Fortbewegung in der Politik führt, ist die zentrale Frage. Können würden auch die österreichischen Regierungsmitglieder; aber ob sie sich auch trauen, Reformen etwa im Bildungs- und Gesundheitsbereich, in der Ausländerpolitik oder im föderalen System umzusetzen?

Vielleicht erzeugt der Wechsel in den USA auch eine "Change"-Stimmung in Österreich, die bei hiesigen Politiker eine "Yes, we can"-Aufbruchbewegung hervorruft. Das Jahr 2009 beginnt erst, Wünschen ist in diesen Tagen erlaubt. Noch lebt das Prinzip Hoffnung. Das gilt auch für die Politik. (Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD, Printausgabe, 31.12.2008/1.1.2009)