Die Evolution anhand von Pflanzen zu verstehen ist ein Schwerpunkt der Biologen am Gregor Mendel Institut. Die Arabidopsis thaliana (Acker-Schmalwand) dient dabei als Modellorganismus.

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Kommt nach 17 Jahren Forschungstätigkeit in den USA an das Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie nach Wien: Magnus Nordborg.

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STANDARD: Ihr derzeitiger Arbeitgeber, die University of Southern California (USC) in Los Angeles, hat einen weltweit renommierten Ruf und bietet exzellente Karrierechancen. Warum wechseln Sie nun ans Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie (GMI) nach Wien?

Nordborg: Zum einen, weil ich glaube, in Wien die Möglichkeit zu haben, am GMI ein Forschungsprogramm zu entwickeln, das ich vermutlich an der USC nicht umsetzen könnte. Die Reputation, von der Sie gesprochen haben, ist in dieser Hinsicht weniger wichtig als die entsprechende Forschungsförderung, sowohl hinsichtlich der Finanzierung als auch der Infrastruktur. Ich bin diesbezüglich beeindruckt von den Anstrengungen der Akademie der Wissenschaften und anderen österreichischen Institutionen, hier ein erstklassiges Forschungsumfeld zu schaffen - den Erfolg dieser Anstrengungen sieht man am Wachstum verschiedener Institute am Campus Vienna Biocenter. Ein weiterer Grund für meinen Wechsel liegt in der Aufgabe: Ein neues Institut aufzubauen ist etwas anderes, als Universitätsprofessor zu sein. Und schließlich wollen meine Familie und ich die Chance nutzen, ein neues Land und eine neue Stadt kennenzulernen.

STANDARD: Was ist Ihr Ziel als wissenschaftlicher Direktor des GMI?

Nordborg: Die Stellung des GMI als führendes Pflanzenforschungsinstitut mit internationaler Beachtung zu festigen.

STANDARD: Ihr persönliches Ziel?

Nordborg: Die Welt ein Stückchen besser zu verstehen.

STANDARD: Sie konnten die österreichische Wissenschaftsszene bisher unvoreingenommen von außen beobachten. Was halten Sie davon?

Nordborg: Hierzu möchte ich zunächst generell feststellen, dass Wissenschaft heute inzwischen ausnahmslos in einem internationalen Kontext gesehen werden kann. Wissenschaft ist wohl jener Bereich, in dem die Globalisierung am weitesten fortgeschritten und in dem sie auch am meisten willkommen ist. Solange dies so bleibt, gibt es auch keinen Grund, warum vergleichsweise zwar kleine, aber doch reiche Länder mit einer starken Tradition in der Bildung und mit einer gut funktionierenden Infrastruktur wie beispielsweise Österreich oder auch mein Heimatland Schweden nicht mit anderen Forschungsstandorten konkurrieren könnten. Und ich glaube auch, dass gerade dieser auf internationaler Ebene ausgetragene wissenschaftliche Wettstreit den Lebensstandard dieser Länder auf lange Sicht hin festigt.

STANDARD: Wo liegen die Stärken des GMI im Speziellen und das Potenzial der österreichischen Wissenschaft im Allgemeinen?

Nordborg: Österreich hat seine Stärken in Physik, angewandter Mathematik, in den Life Sciences generell und in der Biomedizin im Speziellen. Außeruniversitäre Forschungseinrichtungen wie etwa das GMI spielen eine wesentliche Rolle darin, Forschern eine exzellente Infrastruktur bereitzustellen, sie von der traditionellen akademischen Lehre freizustellen und es ihnen zu ermöglichen, sich ganz auf ihre Forschungen zu konzentrieren - das findet man weltweit sehr selten. Diese Vorzüge erlauben es dem Institut, international zu reüssieren.

STANDARD: Auf welchem Fokus liegt Ihre wissenschaftliche Arbeit?

Nordborg: Die natürliche Variation zu erklären. Das ist eine der größten Herausforderungen in der Biologie. Das Wissen darüber, wie genetische Variation zu unterschiedlichen phänotypischen Auswirkungen führt und wie dieser Mechanismus von der Umwelt abhängt, ist entscheidend für unser Verständnis für Evolution und hat enormen Einfluss sowohl auf die Gesundheit des Menschen als auch auf Pflanzen- und Tierzucht. Eine rein statistische Beschreibung des Verhältnisses zwischen Genotypen und Phänotypen mag zwar ausreichend sein für Zuchtzwecke und, um Krankheiten vorherzusagen. Aber sie reicht nicht aus, um entsprechende Therapien zu entwickeln und die Evolution zu verstehen. Aus diesem Grund müssen wir die Blackbox der Genetik öffnen und jene Mechanismen, die von genetischen Variationen zu phänotypischen Variationen führen, finden und bis ins kleinste Detail zerlegen und analysieren. Pflanzen eigenen sich dafür ideal.

STANDARD: Welche Rolle spielt dabei das GMI?

Nordborg: Das GMI mit seiner Expertise in Molekulargenetik und Epigenetik von Pflanzen und mit seiner erstklassigen Infrastruktur ist ein ideales Institut für derlei Forschungsvorhaben. Wir wollen am GMI daher ein weltweit führendes Programm zur Charakterisierung von Genotyp-Phänotyp-Verbindungen entwickeln. Ganz konkret werden wir das mit der Modellpflanze Arabidopsis thaliana machen. Diese wächst in einem Gebiet, das sich von oberhalb des Polarkreises in Schweden bis zu den Cap-Verde-Inseln und von den französischen Küsten bis hinauf ins Faltengebirge von Kirgisistan erstreckt. Es ist spannend zu erforschen, wie sich diese Pflanze genetisch angepasst hat, um verschiedene Klimastrategien zum Überleben zu entwickeln.
(Andreas Feiertag/DER STANDARD, Printausgabe, 31.12.2008/01.01.2009)