„Es ist ein Durchbruch für unsere Demokratie, und es ist ein Festival für die kurdische Sprache. Nach _83 Jahren Verleugnung einer kurdischen Identität sendet seit heute der Staatsrundfunk auch auf Kurdisch". Die Begeisterung der Kolumnistin Gülay Göktürk von Bugün wird von den meisten ihrer Kollegen geteilt. Endlich kommen aus dem Südosten nicht nur Nachrichten von getöteten Soldaten und PKK-Militanten, sondern endlich hat die Republik einen deutlichen Schritt in Richtung ihrer kurdischen Bürger getan und einen TV-Kanal in kurdischer Sprache eingerichtet. Zur Eröffnung am Silvesterabend gab sich Premier Recep Tayyip Erdogan einen weiteren Ruck und begrüßte die Kurden in ihrer eigenen Sprache.

Seit den frühen Tagen der türkischen Republik erschien Kurdisch als ein Idiom, dass es im Sinne des Fortschritts und der Einheit der Nation schnellstens zu überwinden galt. Kurdische Kinder werden in der Schule und beim Militär zur türkischen Sprache geprügelt, nach dem letzten Putsch 1980 war Kurdisch zu sprechen sogar eine Zeitlang verboten. Erst seit ein paar Jahren gibt es Zugeständnisse. Kurdische Sprachschulen wurden zugelassen, und der staatliche Rundfunk TRT sendet einige Stunden in der Woche ein kurdisches Kulturprogramm. Gleichzeitig darf aber immer noch kein kurdischer Bürgermeister eine Einladung in beiden Sprachen versenden.

Entsprechend skeptisch reagierten die Kurden im Südosten des Landes. Abdullah Demirba, ein ehemaliger Bürgermeister von Diyarbakir bezeichnete den neuen Kanal nur als ein weiteres perfides Instrument zur Unterdrückung der Kurden. Gesendet werden soll ein Vollprogramm mit Nachrichten, Spielfilmen Musik-Shows und Seifenopern, wie das vergleichbare türkische Programm im staatlichen Rundfunk auch. Für den Auftakt hatten sich die Programmmacher einen besonderen Leckerbissen ausgesucht. Der seit Jahren aus politischen Gründen im Exil lebende Sänger Aivan Perver trat mit einem Musik-Clip auf. Vor allem soll mit dem neuen Programm die Dominanz des von Belgien und Dänemark ausgestrahlten Roj TV, des Senders, der der PKK nahesteht, gebrochen werden. (Jürgen Gottschlich aus Istanbul/ DER STANDARD Printausgabe, 2.1.2009)