Im Gegensatz zu Wien kennen manche europäische Metropolen wie Paris längst ein Phänomen, das politische Beobachter gern „die Europäisierung des Nahost-Konflikts" nennen: Wann immer die Lage zwischen Israel und den Palästinensern erneut eskaliert, reagieren in der EU junge muslimische Migranten ihren Ärger darüber mitunter an jüdischen Mitbürgern ab - was auch Studien über die neuen Formen des Antisemitismus regelmäßig ausweisen.
Doch Österreich blieb von alledem bisher verschont. Nicht zuletzt, weil der Islam hierzulande gesetzlich anerkannt ist. Und so leben allein in Wien hunderttausende Muslime völlig friedfertig, in freier Ausübung ihrer Religion.

Jetzt irritiert allerdings der scheidende Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft nicht nur Mitglieder der Israelitischen Kultusgemeinde mit seinen Aussagen zur Lage in Gaza. Das Existenzrecht Israels? „Staaten haben kein Naturrecht zu existieren." Das festgeschriebene Vorhaben von Hamas, den Staat von der Landkarte zu tilgen? „Eine Utopie", die „vielleicht 1948 möglich gewesen wäre". Antisemitismus in den eigenen Reihen? „Kennen wir nicht."
Solidaritätsbekundungen und Demonstrationen für die Anliegen der Palästinenser sind freilich gutes Recht. Auch die Mehrzahl der jüdischen Mitbürger zittert bei den Vorgängen im Nahen Osten auf der Seite Israels mit.
Doch das mangelnde Fingerspitzengefühl des Oberhaupts der Muslime, der ihnen wohl Vorbild in Wort wie Ton ist, macht nachdenklich. Hoffentlich findet sein Nachfolger bald klarere Sätze zu Hamas und anderen Hetzern. (DER STANDARD, Printausgabe, 3./4.2009)