Berlin - Der deutsche Experte für biologische und chemische Waffen, Alexander S. Kekulé, hat nach dem Vorbild der Internationalen Atomenegie-Organisation (IAEO) mit Sitz in Wien eine Kontrollbehörde für biologische Waffen gefordert. "Die nächste Angriffswelle" sei in zehn Jahren mit gentechnisch veränderten biologischen Waffen zu befürchten. "Darauf sind wir nicht vorbereitet, und da wird auch nicht geforscht." Bei den herkömmlichen biologischen Waffen sei die Gefahr beherrschbar, sagte der Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie an der Martin-Luther-Universität Halle am Dienstag vor der Auslandspresse in Berlin. Die bisher bekannten biologischen Waffen, deren Technologie zum Großteil aus dem 1. Weltkrieg stamme, seien sozusagen "Oldtimer".
"Der Unterschied zwischen einer vorbereiteten und einer nicht vorbereiteten Bevölkerung ist eminent." Deshalb bestehe in Deutschland und Europa insgesamt hoher Nachholbedarf im Zivilschutz, so der Wissenschaftler.
Bis heute sei völlig unklar, ob der Irak über einsatzfähige biologische Waffen verfüge, sagte Kekulé. Er selbst glaube aber, dass der Irak "ein Sammelsurium alter oder veralteter Waffen" besitze, die für eine militärische Auseinandersetzung keine Gefahr darstellen würden. Für eine "asymmetrische Kriegsführung" könnte es aber zu einer Renaissance von biologischen Waffen kommen, meinte der deutsche Experte. Diese seien dafür prädestiniert, "in jedem Uni-Labor, nicht nur in Schurkenstaaten" hergestellt zu werden.
Eine selektiv auf den Irak gerichtete Furcht bezeichnete Kekulé als übertrieben. In der Irak-Frage, meinte der Wissenschaftler, solle ein dritter Weg beschritten werden, der dem Gegner Optionen nehme: "Durch geschickte Inspektionen kann man den Irak in die Lage bringen, dass er nicht mehr handlungsfähig ist." Erstmals seit 1991 könne jetzt Material aus den jüngst bekannt gegebenen Waffenfunden entnommen und im Labor untersucht werden. Daraus ließen sich Schlüsse ziehen, wie technisiert der Irak in den letzten Jahren war, so der Wissenschaftler: "Das nimmt ihm wieder ein Feld. Er kann immer weniger lügen."
"Die Zugeständnisse des Irak der letzten Tage basieren nicht auf Erkenntnissen von Inspektoren, sondern ganz allein auf dem militärischen Druck und den Invasionsdrohungen", betonte der Terrorismus-Experte bei der deutschen Gesellschaft für auswärtige Politik, Frank Umbach, in derselben Veranstaltung in Berlin. Inspektoren seien immer abhängig von der Mitarbeit des Kontrollierten. Dies hätten ältere Erfahrungen bei der problemlosen Denuklearisierung etwa in Südafrika und der Ukraine gezeigt.(APA)