Graz - Im Jahr 1919 legte sie an der Grazer Universität - als erste Frau an der Uni überhaupt - ihre Habilitationsschrift vor. Und sie wurde abgewiesen: Christine Touaillon (1878 - 1928). An der Wiener Universität wurde sie zwei Jahre später doch noch als Privatdozentin für neuere deutsche Literatur zugelassen und ging damit als erste habilitierte Germanistin Österreichs in die Universitätsgeschichte ein. In Graz erweist man der Wissenschafterin doch noch die Ehre: Am Internationalen Frauentag wird dort eine Gedenktafel enthüllt.

"Als studierende Frauen noch außergewöhnlich waren, ging sie viel weiter: Christine Touaillon beschäftigte sich erstmals wissenschaftlich mit der Literatur von Frauen und wollte an der Universität Graz lehren. Nur Letzteres wurde verhindert", steht auf der Gedenktafel, die im Uni-Foyer angebracht wird. Gestaltet hat sie die Grazer Künstlerin Sabina Hörtner im Rahmen des "Graz "2003"-Projektes "20 + 3 Orte". Sie soll an die Karriere der Frau, die in Graz beinahe gescheitert wäre, erinnern.

Falsches ...

Ausschlag gebend für die Abweisung Touaillons an der Universität war nicht ihre wissenschaftliche Qualifikation, sondern die Tatsache, dass sie eine Frau war. Das Protokoll des Professorenkollegiums hält fest: "Das Kollegium trägt starke Bedenken, ob Frauen überhaupt im Stande sind, auf junge Männer im Alter von 18 bis 25 Jahren, in dem bestimmte spezifisch männliche Eigenschaften am stärksten hervortreten, den erforderlichen pädagogischen Einfluss zu nehmen. Ob das bei Hochschülern ersprießlich, ja überhaupt möglich sein wird, ist als recht fraglich anzusehen." Dass Touaillon mit ihrer Habilitationsschrift und zugleich ersten Gesamtdarstellung des deutschen Frauenromans des 18. Jahrhunderts eine Pionierleistung vollbracht hat, kümmerte da wenig.

Während Touaillon in Graz abblitzte, wurde sie 1921 in Wien als Privatdozentin für neuere deutsche Literatur zugelassen. Dort wurde sie auch aktives Mitglied der "Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit". Touaillon starb jung und überraschend. Sie war in die psychiatrische Abteilung des Landesnervenkrankenhauses in Graz eingeliefert worden, mit der Diagnose "Klimakterium". Einen Monat später starb sie, wie die Obduktion ergab, an einer Entzündung der Herzinnenwand. Am Germanistischen Institut in Graz wurde übrigens erst im Jahr 1993 die erste Frau habilitiert.

... Geschlecht

"Methoden und Auswirkungen des de facto Frauen-Ausschlusses aus den höheren akademischen Graden in Graz waren bemerkenswert", so Ilse Wieser, die die Geschichte der Wissenschafterin erforscht hat und nun u.a. an der Universität Graz unter dem Titel "Frauen an die Universität" ein Choatching-Projekt für Wissenschafterinnen leitet. Die Zahlen zeigen, dass nach wie vor viel "Entwicklungsarbeit" geleistet werden muss: Der Anteil von Frauen unter den Professoren macht gerade einmal sechs Prozent aus - und damit liegt man sogar österreichischen Mittel. (APA)