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Istanbul - Nachdem die türkische Armee sich in der Frage eines Engagements in einem möglichen Krieg gegen den Irak öffentlich lang zurückgehalten hat, ging Generalstabschef Hilmi Özkök am Mittwoch in die Offensive. Bei einem Treffen mit dem türkisch- zypriotischen Volksgruppenführer Rauf Denktas¸ wandte sich Özkök in Ankara überraschend zum Thema Irak an die anwesenden Journalisten.
In einer offenbar zuvor im gesamten Generalstab vorbereiteten Erklärung machte Özkök deutlich, dass die türkische Armee im Gegensatz zur Mehrheit des Parlaments die Stationierung von US-Soldaten befürwortet. "Wir unterstützen die Regierung in ihrem Bemühen, die Stationierung von US-Truppen zum Aufbau einer nördlichen Front zu ermöglichen", sagte Özkök. Eine Nordfront würde den Krieg gegen die Truppen Saddam Husseins verkürzen und außerdem der Türkei die zugesagte finanzielle Unterstützung aus den USA sichern. Er respektiere die Entscheidung des Parlaments, aber er sei überzeugt, dass es möglich sein wird, noch eine allen Interessen unseres Landes dienende Lösung zu finden.
Neue Abstimmung
Die Erklärung von Özkök erfolgte, einen Tag nachdem der Chef der Regierungspartei AKP, Recep Tayyip Erdogan, vor seiner Fraktion angekündigt hatte, er sei dafür, im Parlament erneut über die Stationierungsfrage abzustimmen.
Sinngemäß sagte Erdogan, nachdem die Abgeordneten beim ersten Mal ihren Gefühlen nachgegeben hätten, sollten sie in einer zweiten Runde kühl überlegen und ihre Verantwortung für das Land wahrnehmen.
Noch ist allerdings ungeklärt, ob und wann das Parlament noch einmal über die US-Truppen abstimmt. Am kommenden Sonntag will Tayyip Erdogan bei einer Nachwahl fürs Parlament endlich selbst zum Abgeordneten gewählt werden, um anschließend zum Ministerpräsident gekürt werden zu können. Ein Wechsel mit dem amtierenden Ministerpräsidenten Abdullah Gül ist lange ausgemacht, wird aber wohl einige Tage in Anspruch nehmen.
Außerdem will Erdogan abwarten, ob es den USA gelingt, eine zweite Resolution durch den UN-Sicherheitsrat zu bringen, um dann im Parlament sagen zu können, die Situation habe sich maßgeblich geändert. Im Umfeld Erdogans geht man deshalb davon aus, dass eine zweite Abstimmung erst um den 20. März erfolgen wird. (DER STANDARD, Printausgabe, 6.3.2003)