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Panik am Grenzübergang Erez-Gaza: Journalisten suchen Deckung, nachdem eine aus dem Gazastreifen abgefeuerte Rakete über sie hinwegflog.

Foto: Getty/ Spencer Platt

Jerusalem - Ausführlicher könnte der Lagebericht des israelischen Militärsprechers kaum sein: "Das Vorrücken im Gazastreifen erfolgt nach Plan. Die Soldaten erfüllen ihre Mission." Mehr ist über das Eindringen israelischer Truppen nicht zu erfahren. Angeblich wurde der Gazastreifen in drei Teile zerschnitten. Die Soldaten positionierten sich außerhalb dicht besiedelter Gebiete und führten gezielte Kommandounternehmen gegen gründlich ausspionierte Hamas-Stellungen und Verstecke aus.

Den Israelis mangelt es nicht an willigen Kollaborateuren: abgetauchte Fatah-Leute. Dutzende wurden angeblich von der Hamas hingerichtet, als sie verletzt in die überfüllten Krankenhäuser gelangten. Nachprüfen lässt sich nichts. Die Auslandspresse muss sich damit begnügen, von Hügeln und Hausdächern in Ägypten oder Israel das Geschehen aus der Ferne zu beobachten. Man hört Gewehrfeuer und Explosionen. Man sieht Stichflammen, Rauchpilze wie von kleinen Atombomben und malerisches Feuerwerk, wenn die israelische Artillerie Phosphorgranaten verschießt. So werden Bunker und Minen großräumig ausgeräuchert. Viele kleine Feuerbälle regnen vom Himmel herab.

Al-Jazeera berichtet aus dem Gazastreifen

Im Gazastreifen halten sich nur Korrespondenten arabischer Fernsehsender auf, zum Beispiel von Al-Jazeera. Dessen Korrespondenten, mit Helm und Kugelschutzjacke gut verpackt, berichten auch nur aus sicherer Entfernung vom Dach eines Hochhauses. Sie bringen Bilder der gleichen Explosionen und Rauchpilze, lediglich aus einem anderen Blickwinkel. Und dann hält sich ein Team beim Shifa-Hospital auf, wo Ambulanzen Tote und Verletzte anliefern. Bis Montagmorgen waren es 509 Tote und über 2000 Verletzte. Die Kamera hält mit Vorliebe auf blutverschmierte Kinder und schaut ihnen pietätlos in die toten Augen. Doch nach Angaben der UNO sind zwei Drittel der Toten Männer im Kampfesalter, viele in Tarnuniform.

Was aber genau der toten Großmutter im Flüchtlingslager Zeitoun und ihren beiden Enkeln widerfahren ist, warum ein israelischer Panzer eine Granate auf ihr Haus abgeschossen hat, erfährt man von palästinensischen Augenzeugen nicht. Getötet wurde auch ein Elternpaar mit fünf Kindern im Flüchtlingslager Shati. Ihr Haus wurde von der Granate eines israelischen Kriegsschiffes getroffen. Die Umstände lassen sich nicht ermitteln, zumal Israel ungewöhnlich effektiv einen Mantel der Verschwiegenheit über den Gazastreifen gestülpt hat.

Hamas-Sprecher verwickeln sich in Widersprüche

In täglichen Trefferlisten der Militärs kommen nur Raketenstellungen, Waffenlager, Bunker und andere "legitime Ziele" vor, nicht aber das Haus der siebenköpfigen Familie in Shati. Die wenigen noch verbliebenen Hamas-Sprecher verwickeln sich in Widersprüche. Sie protzen mit riesigen Erfolgen, Dutzenden toten oder gekidnappten israelischen Soldaten. Dann aber kommt kleinlaut: "Nein, Sie haben falsch verstanden. Die Überraschungen heben wir uns auf, sowie die Zionisten in bewohnte Gebiete vordringen."

Ähnliche Zukunftsvisionen verbreiten auch Hilfsorganisationen. Die Volltreffer der Raketen der Hamas auf leere Schulgebäude und Kindergärten in Israel, Wohnhäuser in Ashkelon, Sderot, Javne oder Achdod, interessieren die UNRWA oder Oxfam nicht weiter, auch nicht die Pläne der israelischen Armee, die "Infrastruktur des Terrors" effektiv zu zerschlagen. Die internationalen Helfer sehen nur die leidende palästinensische Bevölkerung. Auf ihrem Rücken freilich versucht die einst mehrheitlich gewählte Hamas mit Raketenbeschuss, die israelische Armee in die Falle zu locken.

In den dicht besiedelten Wohngebieten will die Hamas den Israelis hohe Verluste beifügen und mit möglichst vielen getöteten Zivilisten eine moralische wie politische Niederlage beifügen. Jetzt schon dienen die Totenzahlen dazu, Israel eines Massakers und sogar eines "Holocaust" zu bezichtigen. Gleichwohl zählte die UNO nach einwöchigen Bombardements und Kämpfen unter 522 Toten "nur" 82 Zivilisten. Angesichts der Fernsehbilder und der vermeintlichen "Massaker" ist das eine vergleichsweise niedrige Zahl. (Ulrich Sahm/APA)