Den Haag - In den Niederlanden hat erstmals ein Einwanderer das Amt des Bürgermeisters in einer Stadt übernommen. Der aus Marokko stammende Ahmed Aboutaleb lenkt seit Montag die Geschicke in Rotterdam. Der 47-Jährige bekannte in seiner Antrittsrede, die auch im Internet übertragen wurde, dass viele Einwohner in der zweitgrößten Stadt der Niederlande Angst und Misstrauen angesichts seiner Ernennung hätten.

"Viele Menschen sind beunruhigt in einer Welt, in der sich alles ändert. (...) Kirchen verschwinden und Moscheen tauchen auf", sagte Aboutaleb, der sowohl einen niederländischen als auch einen marokkanischen Pass besitzt. Dass diese Veränderungen Unsicherheit auslösten, dürfe von der Politik nicht unterschätzt werden.

Gleichzeitig warb Aboutaleb für ein stärkeres Miteinander: "Eine Gesellschaft, in der die Menschen Vertrauen ineinander haben, ist stärker." Der Sozialdemokrat rief darüber hinaus zu einer Debatte über die demokratischen und konstitutionellen Fundamente des Landes auf.

Rechte zweifeln an Loyalität

Einige Politiker aus dem rechten Lager hatten angesichts Aboutalebs Ernennung Zweifel an seiner Loyalität gegenüber den Niederlanden geäußert. Demonstranten entrollten vor dem Bürgermeisteramt in Rotterdam am Montag ein Plakat mit der Aufschrift "Pim Fortyun hätte nicht gemocht, was heute hier passiert." Der Rechtspopulist, der 2002 ermordet wurde, stammte ebenfalls aus Rotterdam und hatte für eine schärfere Einwanderungspolitik seines Landes plädiert.

Das Rathaus der Hafenmetropole, die mit knapp 600.000 Einwohnern nach Amsterdam die zweitgrößte Stadt des Königreichs ist, wurde zur Amtseinführung Aboutalebs von einem Großaufgebot an Polizisten bewacht. Bei der Sicherheitskontrolle von Teilnehmern der Zeremonie und Journalisten wurden auch Sprengstoffspürhunde eingesetzt. In Rotterdam ist der Anteil von eingewanderten Muslimen an der Gesamtbevölkerung höher als in allen anderen niederländischen Städten. Gegenwärtig entsteht dort eine Moschee, die zur größten Europas ausgebaut werden soll.

Erst Journalist, dann Sozialminister

Aboutaleb kam im Alter von 14 Jahren aus Marokko in die Niederlande. Er arbeitete zunächst als Journalist, später als Ministeriumssprecher und dann als Sozialminister in der niederländischen Regierung. Marokkaner zählen in den Niederlanden zu einer der größten ausländischen Gemeinschaften. Sie stellen derzeit rund 350.000 der insgesamt 16,3 Millionen Einwohner.

Die Ernennung Aboutalebs zum Nachfolger des turnusmäßig aus dem Amt scheidenden Bürgermeisters Ivo Opstelten von der rechtsliberalen Partei für Freiheit und Demokratie (VVD) hatte im Oktober die sozialdemokratische Mehrheit im Stadtrat durchgesetzt. Die Sozialdemokraten (PvdA) regieren in Den Haag in einer Koalition mit den Christdemokraten. (APA/dpa)