Bild nicht mehr verfügbar.

Das ägyptische Wadi Hatin war vor Jahrmillionen noch Teil des Urmeeres Tethys. Die bizarren Steinformationen stammen noch aus dem einstigen Meeresgrund.

Foto: APA/EPA / Mike Nelson

Anhand von Fossilien versuchen Paläontologen zu rekonstruieren, was danach geschah.

Der Globus hat nicht immer so ausgesehen wie heute. Noch vor 30 Millionen Jahren etwa erstreckte sich zwischen Europa und Afrika mit der Tethys ein riesiger Meerestrog, der ohne Unterbrechung bis zum Indopazifik (also dem Indischen und Pazifischen Ozean) reichte. Da es zu dieser Zeit sowohl in Europa als auch in Asien noch sehr warm war, zeichnete sich dieses Meer durch eine gemeinsame tropische Fauna aus.

Im Laufe der nachfolgenden Jahrmillionen jedoch bewegte sich Afrika nach Norden und schloss diese Verbindung. Die Meeresströmungen und Windverhältnisse änderten sich ebenso nachhaltig wie das Klima in Europa, das deutlich kühler wurde.

Wann genau dieser "Terminale Tethys Event" stattgefunden hat, und was damals passiert ist, versuchen die Paläontologen des Naturhistorischen Museums Wien gemeinsam mit Forschern der Universität Graz und internationalen Kollegen mit finanzieller Unterstützung des FWF zu klären.

Während in der Mittelmeergegend seit mehr als 200 Jahren zu diesem Thema heftig geforscht wird, ist über die Entwicklung des Indopazifiks wenig bekannt. Das Paläontologenteam um Werner Piller und Mathias Harzhauser untersucht daher verschiedene wirbellose Tiergruppen, von denen man aus früheren Untersuchungen weiß, dass sie sich gut für die Rekonstruktion von lange zurückliegenden biogeografischen Verhältnissen eignen, darunter Muscheln, Schnecken, Stachelhäuter und Korallen.

Schwierige Forschungsreisen

Zu diesem Zweck müssen die Gesteinsschichten vor Ort untersucht und entsprechend datiert werden, um darin gefundene Fossilien zeitlich richtig einordnen zu können. Die Wissenschafter wissen auch, welche Regionen der Welt die besten Voraussetzungen dafür bieten würden, etwa Somalia, Irak, Pakistan, Myanmar. Das Problem in diesen Regionen ist, dass viele davon schon als Tourist schwierig zu bereisen sind, geschweige denn als Wissenschafter, der mit viel Gepäck unterwegs ist, an meist entlegenen Stellen Grabungen anstellen und dann auch noch Proben ausführen will.

Manche Länder wie Pakistan oder Myanmar bleiben den Paläontologen bis auf weiteres verschlossen. Erfolgreich abschließen konnten sie dagegen Forschungsreisen in die Türkei, den Iran und das Sultanat Oman im Südosten der Arabischen Halbinsel. Dabei stellte sich Erstaunliches heraus: Viele Tiere, die heute für den Indopazifik als charakteristisch gelten, sind nicht dort entstanden, sondern im Bereich des heutigen Mittelmeeres, wo sie im Zuge der Klima-Abkühlung ausstarben.

Außerdem fand der Terminale Tethys Event viel früher statt als bisher angenommen: Weil man sowohl im Westen der Tethys als auch im Indopazifik Fossilien ähnlicher Arten fand, ging man davon aus, dass die Meeresverbindung noch vor 15 Millionen Jahren bestanden und eine letzte Wanderungswelle dieser Arten von Osten nach Westen ermöglicht hatte.

Legendäre Mördermuscheln

"Aber die Schließung muss sich schon vor 20 bis 30 Millionen Jahren ereignet haben", erklärt Andreas Kroh vom Naturhistorischen Museum. "Schon vor 20 Millionen Jahren gab es kaum noch Gemeinsamkeiten zwischen dem Mediterran und dem Indopazifik."

Schlecht dokumentierte Einzelfunde von Fossilien können solche Fehleinschätzungen begünstigen. Ein schönes Beispiel sind Riesenmuscheln oder Mördermuscheln (die in Wirklichkeit keineswegs nach Tauchern oder Tieren schnappen). Vorfahren dieser Muscheln kamen vor rund 40 Millionen Jahren in großer Zahl im Westen der Tethys vor und breiteten sich von dort nach Osten aus. In Europa aber starben sie vor etwa 25 Millionen Jahren aus.

Nichtsdestoweniger sind sowohl das Wiener Belvedere als auch das Esterházy-Schloss in Eisenstadt mit Riesenmuschelschalen geschmückt, und bereits aus dem 7. vorchristlichen Jahrhundert ist belegt, dass kleine Exemplare als Behälter für Kosmetika nach Kleinasien und Kreta importiert wurden.

Diese Vorliebe des Menschen dürfte dafür verantwortlich sein, dass in der paläontologischen Literatur immer wieder behauptet wurde, es hätte in Europa noch lang nach ihrem Aussterben – teilweise bis in die vorindustrielle Zeit – Mördermuscheln gegeben. Einerseits wurden sie offenbar schon früh über weite Strecken transportiert, andererseits wohl auch öfter im Meer entsorgt – und später fälschlich für Originale ihrer Umgebung gehalten. (Susanne Strnadl/DER STANDARD, Printausgabe, 7. 1. 2009)