Wien - Wegen des totalen Lieferstopps von russischem Erdgas ist heute in Wien der Energielenkungsbeirat im Wirtschaftsministerium zusammen getreten. Angesichts des erstmals in 40 Jahren erfolgten Gaslieferstopps setzt Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) auf ein Maßnahmenpaket zur Versorgungssicherung: Durch die Steuerung des Verbrauchs der Gas-Großkunden und durch Umstellung der Gaskraftwerke auf Öl oder Kohle soll die Versorgung in den nächsten Wochen für alle gesichert werden. Für die Haushalte bestehe ohnehin Versorgungsssicherheit mit Gas für drei Monate, versicherte Mitterlehner nach der Sitzung des Energielenkungsbeirats. Die freiwillige Optimierung zur Abdeckung der Bedarfsspitzen bei den Großkunden habe in Abstimmung mit diesen bereits begonnen. Konkurrenz zwischen den einzelnen Großabnehmern gebe es keine, sieht der Minister hier ein solidarisches Vorgehen.
Die Lage wird sich offenbar nicht so schnell entspannen: Die Vermittlungsbemühungen der EU zwischen der Ukraine und Russland müssten erst anlaufen, erläuterte Mitterlehner. Angesichts der komplexen Situation erwarte er nicht in den nächsten Tagen, sondern erst "mittelfristig" eine Lösung. Österreich müsse sich also auf einen zumindest teilweise anhaltenden Gaslieferstopp einstellen.
Gasspeicher zu 60 Prozent gefüllt
Die Gasspeicher seien zu etwa 60 Prozent gefüllt, erläuterte E-Control-Chef Walter Boltz heute bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Mitterlehner nach der Sitzung des Energielenkungsbeirats. 1,7 Mrd. m3 Erdgas lagern in österreichischen Speichern und sind für Österreich verfügbar. Für die nächsten Monate sei daher eine klaglose Versorgung zumindest der Haushalte gewährleistet, betonte Boltz: "Für Haushalte gibt es vollständige Entwarnung."
Beim Totalausfall der russischen Erdgaslieferungen in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch sei es auch in Österreich zu keinen Versorgungsengpässen gekommen. Bis zum nächsten Montag könne der Bedarf aller auf jeden Fall abgedeckt werden. Durch Kooperationsbereitschaft der Großkunden und der Versorger könnten Leistungsspitzen abgesenkt und auch die Versorgung der Großkunden gesichert werden, unterstrich Boltz.
Keine Lenkungsverordnung
Die Verantwortung für diese "Optimierung" und freiwillige Bedarfssteuerung liege bei den Großlieferanten und ihren Kunden, betonte auch Mitterlehner. Die Notwendigkeit zu einer Lenkungsverordnung sehe er daher derzeit nicht. Gemäß Energielenkungsgesetz könnte der Wirtschaftsminister im Notfall zur Versorgungssicherung einschneidende Maßnahmen ergreifen und durch Verordnung Gas auch rationieren. Statt derartige Verordnungen zu erlassen setze er auf "marktwirtschaftliches Vorgehen", dies sei auch mit den Interessensverbänden und der Industrie so abgestimmt, unterstrich der Minister. Bis zum nächsten Montag, dem 12. Jänner, liege die Abdeckung der Bedarfsspitzen schon vor. "Die nächsten 14 Tagen sind ohne Probleme abgedeckt", versicherte Mitterlehner. Freilich könnte es auch zu unvorhergesehenen Ereignissen, etwa einem technischen Problem kommen, räumte er ein.
Gut ausgebaute Speicher
Österreich habe sehr gut ausgebaute Speicher und sei dadurch im Vergleich mit anderen vom Lieferstopp betroffenen europäischen Ländern in einer besseren Lage, versicherte auch OMV-Generaldirektor Wolfgang Ruttenstorfer. Die Gasspeicher werden saisonal befüllt - im Sommer werden sie aufgefüllt, ab der Heizsaison werde dann zusätzlich zu den Gaslieferungen und der Gasförderung auch Erdgas aus den Speichern entnommen. Eine Grundlast gebe es quasi als strategische Reserve. Die OMV habe sich stets bemüht, die österreichische Gasversorgung auf mehr Beine zu stellen, verwies Ruttenstorfer auf das Nabucco-Pipeline-Projekt und ein Flüssiggas-Projekt. Auch die Inlandsförderung sei vorangetrieben worden. Bei den Speicherkapazitäten sei Österreich in Europa relativ gesehen führend. Anderen besonders betroffenen Ländern wie Polen und Südosteuropa könne von Österreich aus schon technisch nicht mit Gaslieferungen geholfen werden.
Dass Russland die gültigen Lieferverträge mit Österreich nicht einhält, kommentierten sowohl Minister Mitterlehner als auch OMV-Chef Ruttenstorfer heute sehr zurückhaltend. Man werde sich die Lage in Ruhe anschauen, meinte der OMV-Chef auf die Frage, ob nun Klagen geprüft werden. Auch Mitterlehner möchte nun vor allem die Entspannungs- und Vermittlungsbemühungen zwischen Russland und der Ukraine in den Vordergrund rücken. Morgen, Donnerstag, sollen sich in Brüssel Vertreter der beiden zerstrittenen Gasgesellschaften zusammensetzen, berichtete er von einem Gespräch mit EU-Energiekommissar Andris Piebalgs. Kritische Worte gegenüber Russland bzw. der russischen Gazprom, mit der die OMV Lieferverträge bis 2027 hat, fanden Ruttenstorfer und Mitterlehner heute nicht. (APA)