Ausländische Hilfsorganisationen übernehmen in Äthiopien schon seit Jahrzehnten weite Teile der Krankenversorgung. Sie fliegen Lebensmittel ein, wenn wieder einmal eine Hungersnot droht, und sie tragen mit Millionen Euro dazu bei, dass Menschen Zugang zu Wasser oder eine Ausbildung bekommen. Kaum ein anderes Land in Afrika bekommt so viel Entwicklungshilfe wie Äthiopien.
Dass nur wenige Hilfsorganisationen das Geld direkt verteilen, ist eine gute Sache. So ist mit den ausländischen Hilfsgeldern auch die Zivilgesellschaft gewachsen, die Anfang der 1990er-Jahre nach der stalinistischen Mengistu-Diktatur auf dem Boden lag. Heute sind es Äthiopier, die Kleinbauern oder hungernden Kindern helfen; Äthiopier, die sich um das Land sorgen und es besser machen wollen. Es sind genau diese Äthiopier, derer sich Premier Meles Zenawi mit dem am Dienstag beschlossenen Gesetz zur Regulierung von Hilfsorganisationen entledigen möchte.

Als die Äthiopier vor vier Jahren Zenawis Partei abwählten, ließ der Premier alle Oppositionsführer einkerkern und tausende ihrer Anhänger in Arbeitslager werfen. Journalisten verschwanden spurlos. Jetzt sind die letzten Kritiker dran. Die USA, die gegen das Gesetz im Vorfeld lautstark protestierten, werden Äthiopien weiterhin unterstützen, weil sie es im „Kampf gegen den Terror" in den Nachbarländern Somalia und Eritrea so dringend benötigen. Nicht das erste Mal haben dabei die Menschenrechte das Nachsehen. (DER STANDARD, Printausgabe, 8.1.2009)