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Unter der ägyptisch-palästinensischen Grenze werden nicht nur Waffen, sondern auch ganze Schafherden geschmuggelt

AP/Hamra

Nach einer Kampfpause haben die israelischen Streitkräfte in der Nacht zum Donnerstag ihre Offensive im Süden des Gazastreifens verstärkt. Aus Israel drangen Panzer in das Gebiet ein, während Kampfflugzeuge die Stadt Rafah an der Grenze zu Ägypten bombardierten, um von den Palästinensern gegrabene Schmuggler-Tunnel zu zerstören.

Das etwa 14 Kilometer lange Grenzgebiet zwischen Ägypten und dem Gazastreifen ist von einem riesigen Tunnelnetz durchzogen, ein ausgeklügeltes System aus miteinander verbundenen Schächten. Nach israelischen Schätzungen befinden sich hunderte, von Hand gegrabene Gänge unter der ägyptisch-palästinensischen Grenze, Palästinenser sprechen sogar von mehr als 3000 Gängen tief im lehmigen Boden.

Waffen, Medikamente und Zootiere

Trotz der israelischen Wirtschaftsblockade wurden so in den vergangenen Monaten vermutlich Waffen, Medikamente, Lebensmittel, Textilien und sogar Tiere für den Zoo in Gaza-Stadt in das Palästinensergebiet geliefert. Üblicherweise seien die Tunnel 1,20 Meter hoch und 80 Zentimeter breit. In jüngster Zeit wurden aber auch größere Gänge gegraben, durch die sogar Motorräder oder Kühe transportiert werden konnten. Das Tunnelsystem gilt auch als Lebensader der Hamas, denn sie schleuste so nicht nur Sprengstoff, Rohmaterial für Raketen und leichte Waffen ein, sondern auch hunderte Katjuscha-Raketen aus dem Iran.

Hamas-Parlamentarier Mushir al-Masri sieht die Gänge als Lebenslinie Gazas: „Sie sind der Schlüssel dazu, die Not zu lindern. Sie haben geholfen, wenigstens einige der Probleme mit den lebensnotwendigen Gütern zu lindern, die wir wegen der israelischen Blockade haben."

Ägypten schaut zu

Die ägyptische Polizei auf der anderen Seite der Tunnel schaut dem Bau oft tatenlos zu, obwohl Kairo mit Israel mehrfach vereinbart hatte, gegen dieses Versorgungssystem der islamistischen Hamas vorzugehen. Wenn der Schmuggel zu dreist wurde, hatte Ägypten ein paar Tunnel gesprengt und so bisher dutzende Männer getötet. Danach werden die Gänge jedoch sofort wieder repariert.

Häufig beginnt und endet ein Tunnel in einem Haus oder einem Innenhof. Die Schmuggler würden mithilfe von Google Earth nach einer passenden Ausstiegsstelle auf ägyptischer Seite suchen. Für Bewohner der Stadt Rafah, die an beiden Seiten der Grenzen existiert, ist das Tunnel-System daher zu einer lukrativen Einkommensquelle geworden. Die Hamas hätten außerdem damit begonnen, für die Tunnel eine Lizenzgebühr von umgerechnet 2000 Euro zu verlangen.

„Bunker Buster" bringen Gänge zum Einsturz

Für Israel steht nunmehr die Zerstörung des seit den achtziger Jahren bestehenden Gängesystems im Zentrum der Offensive im Gazastreifen. In den vergangenen Tagen wurden bereits mehrere so genannte „Bunker Buster", Bomben, die unterirdisch explodieren und durch Druckwellen die Geheimgänge zum Einsturz bringen sollen, abgeworfen.

Israels Regierung pocht darauf, dass auch nach einem Waffenstillstand keine neuen Gänge entstehen dürfen. „Die Frage der Wiederbewaffnung ist fundamental", sagte ein hochrangiger israelischer Regierungsvertreter. Die Hamas solle nicht wieder aufrüsten können, wie es die schiitische Hisbollah nach dem Libanon-Krieg im Jahr 2006 getan habe.

Unterirdische Mauer gegen Waffenschmuggel

Europa will internationale Beobachter am Grenzübergang Rafah stationieren. Aber den Israelis gehe dieser Vorschlag nicht weit genug, heißt es in Regierungskreisen. Die „Beobachter" sollten vielmehr schwer bewaffnet sein um die Tunnel zu zerstören.

Außerdem soll auf ägyptischer Seite eine unterirdische Mauer errichtet werden um den Waffenschmuggel zu stoppen. Doch dieses Vorhaben könnte Monate dauern und ob die Regierung in Kairo zustimmen würde, ist ungewiss.

Ohne das Tunnelsystem halten Experten das Wiedererstarken der islamistischen Hamas für schwierig. Sollte an der ägyptischen Grenze jedoch nicht entschlossener vorgegangen werden, könnte die Hamas nach israelischer Einschätzung innerhalb von drei bis sechs Monaten die Schmuggler-Tunnel wieder aufbauen. (red/APA/derStandard.at)