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Der designierte US-Präsident Barack Obama - die USA haben zwar demnächst einen schwarzen Präsidenten, doch im Unbewussten hält sich der Rassismus, hat eine nordamerikanische Studie gezeigt.

Foto: REUTERS/Jim Young

Washington - Drei Menschen sitzen in einem Zimmer und warten auf den Vierten. Sie kennen einander nicht - angeblich. Einer von ihnen ist Afroamerikaner, die anderen nicht. Plötzlich erinnert sich der Dunkelhäutige daran, sein Handy im Gang vergessen zu haben. Er steht auf und stößt dabei gegen das Knie seines Nachbars. "Tollpatschiger Nigger", zischt dieser, sobald sich die Tür wieder geschlossen hat und der Beleidigte außer Hörweite ist. Der Dritte schweigt.

Wie würden Sie reagieren, wenn Sie jene dritte Person wären? Würden Sie den offenbar rassistisch gepolten Zeitgenossen zurechtweisen? Die meisten von uns dürften sich in dieser Situation nicht wohlfühlen und wollen mit dem gehässigen Nachbarn wohl möglichst wenig zu tun haben. Oder?

Genau diesen Fragen ist die Psychologin Kerry Kawakami von der York University in Toronto zusammen mit einigen nordamerikanischen Kollegen nachgegangen. Die Experten schilderten nichtschwarzen Studenten das oben beschriebene Geschehen und fragten sie anschließend, wie sie sich fühlen würden. Und: welche der beiden Personen sie als Partner für die Bewältigung einer gemeinsamen Aufgabe auswählen würden. Das Ergebnis: Die Befragten gaben an, verstört auf die rassistische Äußerung zu reagieren, und nur wenige wären geneigt, mit dem verbal Entgleisten zusammenzuarbeiten.

Die Realität indes sah etwas anders aus. Teilnehmer aus einer zweiten Gruppe Studenten fanden sich - ohne Wissen über den Inhalt der Studie - tatsächlich in einem Raum mit zwei Unbekannten wieder. Es handelte sich jedoch um zwei genau instruierte Schauspieler. Verschiedene Versuchspersonen wurden entweder Zeugen der grob rassistischen oder einer moderateren rassistischen Bemerkung ("Typisch. Ich hasse es, wenn schwarze Leute das tun") oder blieben davon verschont. Anschließend sollten die Probanden einen Fragebogen zu ihrem emotionellen Wohlbefinden ausfüllen und einen Partner für die - völlig unwichtige - Aufgabe wählen.

Präferenz für den Rassisten

Das Resultat: Wer mit einer rassistischen Äußerung konfrontiert wurde, fühlte sich nicht wesentlich schlechter als solche Personen, die davon verschont blieben. Auch die Wahl des Versuchspartners wurde nicht zu Ungunsten des gemimten Rassisten beeinflusst, eher im Gegenteil. Die Getesteten schienen sogar eine geringfügige Präferenz für ihn zu haben.

Diese Ergebnisse zeigen, dass Menschen ihr eigenes Verhalten gegenüber Rassismus drastisch falsch einschätzen dürften, schreiben die Forscher in der aktuellen Ausgabe der Wissenschaftszeitschrift Science (Bd. 323, S. 276). Mit anderen Worten: Antirassismus mag zwar als politisch korrekt gelten, doch in den Köpfen ist Rassismus noch stark verankert.

Könnten die unsäglichen Vorurteile stattdessen ihre Wurzeln in unserem Unbewussten haben und sich dort beharrlich verstecken? "Ja", antwortet Kerry Kawakami gegenüber dem Standard. "Und es gibt eine Menge wissenschaftliche Erkenntnisse, die genau darauf hindeuten." Der Kampf gegen den Rassismus dürfte demnach noch sehr viel bewusste Anstrengung kosten. (Kurt de Swaaf, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9. Jänner 2009)