Bild nicht mehr verfügbar.

"Wer die Hamas ,hoffähig' machen will, gießt nur noch mehr Öl ins Feuer":  Eine Replik von Dan Ashbel.

Foto: APA/Schlager

Seit dem 27. Dezember 2008 wurden im Standard sechs Kommentare und Leitartikel aus der gleichen Feder veröffentlicht (Gudrun Harrer, 27. 12., 29. 12., 30. 12., 2. 1., 5. 1., 7. 1.). Der Leitsatz dieser Artikel lautet: "Dabei sollte es mittlerweile klar sein, dass es ohne die Hamas auch nicht geht." Obwohl auch zugegeben wird "dass der Nahostkonflikt eine Abfolge von Ursachen und Wirkungen ist, in die man nicht einfach bei einem gewissen Zeitpunkt einhaken und alles andere ausblenden kann", sind diese Artikel ein Beispiel für das "Ausblenden" von wichtigen Fakten, die der Leserschaft des Standard ein umfassenderes Bild von der Terrororganisation "Hamas" geben könnte.

Ja, vor knapp drei Jahren hat die Hamas die palästinensischen Wahlen gewonnen. Aber wie ist es dazu gekommen, dass "seit eineinhalb Jahren die Hamas den Gazastreifen allein kontrolliert"? Es war eine blutige und gewaltsame "Übernahme", in der wahre oder imaginäre Gegner der Hamas im Gazastreifen getötet, gefoltert oder verhaftet wurden. Seit der Machtergreifung durch die Hamas wurden die palästinensischen Mit-arbeiter des UN-Hilfswerks (UNRWA) durch Hamas-treue Mitarbeiter ersetzt. Diese verteilen die humanitären Güter der UNRWA nur an Familien, die ihre Treue zur Hamas klar zum Ausdruck bringen. Andere können weiter auf Hilfe warten.

Zynische Ideologen ...

Und: Die Hamas positioniert ihre Abschussrampen, Mörser, Waffen und Munitionsdepots ganz bewusst in oder neben Wohnhäusern, Schulen, Moscheen und Krankenhäusern. Die Taktik der "menschlichen Schutzschilde" wird von der Hamas nachgerade perfektioniert: So wurden in den Straßen Gazas Hamas-Spitzenterroristen (ohne Anführungszeichen) mit Kindern auf ihren Armen gesehen, und das nicht aus Liebe zu den Kindern, sondern zum eigenen Schutz vor einem möglichen Angriff.

Wenn man glaubt, dass "die Hamas ihrerseits mit ihren Raketenangriffen auf Südisrael einen 'besseren' Waffenstillstand erpressen wollte, das heißt, eine Lockerung der Quarantäne, die das Leben im Streifen zur Hölle macht", dann muss man sich auch die Frage stellen, was mit den Hilfsgütern geschieht, wenn sie ankommen? Vergangenen Dienstag etwa wurden von Israel aus mehr als 200.000 Liter Diesel für das Kraftwerk in Gaza geliefert. Trotzdem wird das Kraftwerk nicht in Betrieb genommen. Wie kommt es, dass trotz ständiger Stromversorgung von Israel nach Gaza (das israelische Kraftwerk in Ashkelon liefert 70 Prozent des Strombedarf in Gaza und ist eines der Ziele der Hamas-Raketen), die Hamas es vorzieht, diesen Strom nicht an die Häuser und besonders an das "Shifa"-Krankenhaus weiterzuleiten?

Während man sich in Europa wie auch in Israel Sorgen über einen möglichen humanitären Notstand im Gazastreifen macht, versucht die Hamas, gerade diesen Zustand zu ihren Gunsten auszunützen. Nach dem Motto: "Je schlechter es der Bevölkerung geht, um so besser für uns."

Seit dem 27. Dezember wurde keine der führenden Personen der Hamas in der Öffentlichkeit gesehen. Sie haben sich und ihre Familien in Sicherheit gebracht und kümmern sich wenig bis gar nicht um das Schicksal der Zivilbevölkerung. Das tun ja die Europäer viel besser und aus gutem Grund. Denn sowohl in europäischen Ländern als auch in Israel erachtet man die Regierung als verantwortlich für das Wohl- ergehen der Bevölkerung. Nicht so bei der Hamas.

Die Hamas ist - im Gegensatz zur Fatah - keine politische Partei, sondern mehr eine fanatische islamistische Bewegung mit ähnlich kompromissloser Ideologie wie die "Partei Gottes" - Hisbollah. Sie erstrebt die "Befreiung" Gesamt-Palästinas von den "Ungläubigen", denen der Hamas-Ideologie zufolge nicht einmal "ein Sandkorn" der islamischen Erde in die Hände fallen darf. Und sie sieht auf der Grundlage dieser Ideologie ihr vorrangiges Ziel in der Vernichtung des Staates Israel.

Als vor knapp drei Jahren die Hamas die Wahlen gewonnen hatte, bemühte sich die internationale Gemeinschaft, der Hamas die Möglichkeit zu einem Kompromiss zu geben. Sowohl Israel als auch die Europäische Union und das internationale Quartett (USA, Russland, EU, UN) haben drei einfache Bedingungen gestellt: Anerkennung des Existenzrechts Israels, Einhaltung der unterzeichneten Abkommen zwischen Israel und der palästinensischen Behörde, und Einstellung der Terrorangriffe.

... und Fanatiker

Hätte die Hamas diese Bedingungen akzeptiert, würde auch Israel mit ihr verhandeln. Die Hamas weigerte sich damals und weigert sich bis heute, dieses Angebot anzunehmen. Und diese Verweigerung ist auch der Grund, warum die EU-Delegation in Kairo die Hamas-Delegation nicht getroffen hat. Täte sie es, so würde sie den Palästinensern wie auch den Friedensbemühungen einen schlechten Dienst erweisen: Wer die Hamas "hoffähig" machen will, bringt die Lösung des Konflikts im Nahen Osten nicht näher, sondern gießt nur noch mehr Öl ins Feuer.

Dan Ashbel, Botschafter des Staates Israel in Wien.  (DER STANDARD, Printausgabe, 9.1.2009)