Die israelische Regierung lehnte die Forderung nach einer sofortigen Waffenruhe im Gazastreifen zunächst ebenso wie die Hamas ab. Israel flog den 14. Tag in Folge Luftangriffe, auch auf dem Boden wurde gekämpft.
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Keinen Eindruck scheint die Sicherheitsratsresolution, die eine sofortige Waffenruhe verlangt, auf die kämpfenden Parteien gemacht zu haben. Die Militärkampagne gegen die Hamas werde fortgesetzt, ließ Israels Premier Ehud Olmert Freitagnachmittag aus der laufenden Sitzung des Sicherheitskabinetts mitteilen. Israel habe nie akzeptiert, "dass irgendeine äußere Körperschaft über sein Recht bestimmt, die Sicherheit seiner Bürger zu verteidigen". Zuvor hatte die Hamas schon zu verstehen gegeben, dass der UN-Beschluss für sie bedeutungslos sei, weil sie nicht konsultiert worden wäre. Die radikalislamische Gruppe sei an der Resolution "nicht interessiert, weil sie nicht dem Interesse der Bewegung dient", sagte etwa Hamas-Funktionär Osama Hamdan in einem Fernsehinterview.
Neue Angriffe
Auch in der Nacht zum Samstag wurden die Angriffe im Gazastreifen fortgesetzt. Nach Angaben von Bewohnern bombardierten Kampfjets in den frühen Morgenstunden in Khan Younis einen Komplex, der einst von der Hamas genutzt worden war, mittlerweile aber leer stand.
In Beit Lahiya unweit der Nordgrenze zu Israel wurde demzufolge ein Markt angegriffen, ebenso mehrere Gebäude in und um Gaza-Stadt. Bei einem Luftschlag gegen ein Haus im Flüchtlingslager Shati wurde den Angaben zufolge ein Mensch getötet.
UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hatte am Freitag gegenüber dem israelischen Regierungschef Ehud Olmert seine Enttäuschung über die Missachtung der UN-Resolution für eine sofortige Waffenruhe im Gazastreifen Ausdruck verliehen. Ban protestierte nach Angaben seiner Sprecherin in einem Telefonat mit Olmert gegen die andauernde Gewalt in dem Palästinensergebiet.
Mit den Stimmen von 14 der 15 Mitglieder hatte der UN-Sicherheitsrat in der Nacht auf Freitag eine Resolution verabschiedet, die zu einer "sofortigen, dauerhaften und voll respektierten Waffenruhe" aufruft. Dies solle zum "vollständigen Rückzug der israelischen Truppen aus Gaza" führen.
Als Elemente der Waffenruhe werden die Unterbindung des Waffenschmuggels und die Öffnung der Grenzübergänge genannt. US-Außenministerin Condoleezza Rice erklärte nach der Abstimmung im UN-Sicherheitsrat, die USA unterstützten trotz ihrer Stimmenthaltung die Resolution des Rats. Die US-Außenministerin begründete die Stimmenthaltung der USA auch damit, dass man das Ergebnis der ägyptischen Friedensbemühungen abwarten wollte.
Livni bittet um Verständnis
Die israelische Außenministerin Zipi Livni hat es abgelehnt, sich auf einen Zeitplan für ein Ende der Offensive im Gazastreifen festzulegen. "Wir müssen erst feststellen, dass wir unsere Ziele erreicht haben", sagte Livni der "Washington Post" (Samstag-Ausgabe).
Auf die Frage, ob die Kämpfe bei der Amtseinführung des künftigen US-Präsidenten Barack Obama beendet sein würden, sagte Livni, ein möglichst rasches Ende der Kämpfe sei für Israel wünschenswert. Allerdings befinde sich ihr Land in einem "anhaltenden Krieg gegen Terror". Dafür erwarte Israel keine Kampfbeteiligung der internationalen Gemeinschaft, aber "etwas Verständnis und Zeit".
In die diplomatischen Bemühungen will sich nun auch Deutschland verstärkt einbringen: Außenminister Frank-Walter Steinmeier trifft am Samstag in Ägypten mit Staatschef Hosni Mubarak und dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas zusammen. Danach reist er nach Israel.
Die Kämpfe waren auch am Freitag nach dem bekannten Muster fortgesetzt worden. Die Israelis griffen aus der Luft Dutzende Ziele an, während ihre Bodentruppen am Rand des verbauten Gebiets standen und die von ihnen gehaltenen Zonen nach Hamas-Männern durchkämmten. Es kam zu Feuergefechten, und die Palästinenser meldeten mehrere Tote. Zugleich feuerte die Hamas schon am Vormittag mehr als 20 Raketen auf Israel ab. Eine Entscheidung über eine Ausweitung der Bodenoperation schien das Sicherheitskabinett noch nicht gefällt zu haben.
Als einzige konkrete Grundlage für eine Waffenruhe galt nach wie vor ein ägyptisch-französischer Plan, wobei eine Einigung über die Einzelheiten nicht in Sicht war. Die Hamas fordert etwa die Öffnung des Grenzübergangs zu Ägypten. Die Israelis wollen umgekehrt genau einen international garantierten Mechanismus, der verhindern soll, dass die Hamas Waffen nach Gaza schmuggelt. (Ben Segenreich aus Tel Aviv/DER STANDARD, Printausgabe, 10./11.1.2009)