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Die Architekturpsychologie beschäftigt sich mit der Wirkung und Bedeutung von "gebauten Umwelten" auf die Menschen. Sie entwickelte sich in den 1960er Jahren als Teilgebiet der Umweltpsychologie, um zu erforschen, unter welchen Umständen Psychiatrien ihre therapeutische Wirkung auf die Patienten am besten entfalten können.

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Peter G. Richter.

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"Wenn es keine Chance gibt, sich in der Firma zu verankern, führt das zu Motivationsdefiziten." Peter G. Richter, Architekturpsychologe und Professor an der TU Dresden, wünscht sich im Interview mit derStandard.at/Karriere mehr individualisierte Arbeitsplätze. Sich die eigene Umwelt aneignen zu wollen, gehöre zu den menschlichen Grundbedürfnissen. Welche Rolle dabei Privatheit, Farben, Pflanzen und Lichteinfluss fürs Wohlbefinden spielen, erläutert er im Gespräch mit Oliver Mark.

derStandard.at: Man verbringt ja nicht gerade wenig Zeit im Büro. Wie wichtig ist es für die generelle Zufriedenheit, dass man sich am Arbeitsplatz wohl fühlt?

Richter: Es ist in doppelter Hinsicht bedeutend. Zum Ersten ist es im Sinne des vorbeugenden Gesundheitsschutzes wichtig. Nämlich in Bezug auf eine optimale biopsychologische Aktivierung, die eine negative Beanspruchung mit langfristigen gesundheitlichen Schäden ausschließen kann. Zum Zweiten sind natürlich die Zufriedenheit und eine positive Einstellung zur Arbeit zentrale Punkte, die für sowohl für Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber von enormer Relevanz sind. Die Arbeitsumgebung kann hier eine entscheidende Rolle spielen.

derStandard.at: Es müsste ja im Sinne der Unternehmer sein, dass die Mitarbeiter gerne ins Büro gehen. Um wie viel lässt sich die Produktivität steigern, wenn man mit der Arbeitsumgebung zufrieden ist?

Richter: Das kann man so generell schwer sagen. Es existieren nur Studien zu Einzelaspekten. Etwa jene, dass es durch die falsche Zusammenstellung der Farben zu Leistungseinbußen von bis zu 15 Prozent kommen kann. Bei der richtigen Beleuchtung gibt es positive Leistungseffekte von bis zu 30 Prozent.

derStandard.at: Welche Bedeutung hat die individuelle Gestaltung? Es heißt ja, dass man sich einen Arbeitsplatz aneignen soll.

Richter: Das ist enorm wichtig, da Umweltkontrolle zu den Grundbedürfnissen des Menschen gehört. Idealerweise heißt das Individualisierung und Personalisierung des Arbeitsplatzes. Es sollte Aufgabe der Arbeitgeber sein, solche Möglichkeiten der Identifikation innerhalb eines Gestaltungsspielraumes zu schaffen. Wenn es keine Chance gibt, sich in der Firma zu verankern, führt das zu Motivationsdefiziten. Das ist ein sehr wichtiger Punkt, wo es um Territorialität und soziale Identität geht.

derStandard.at: Welche Faktoren sind ausschlaggebend, um einen "optimalen" Arbeitsplatz zu schaffen?

Richter: Sehr wichtig ist das Thema Privatheit. Mitarbeiter müssen Rückzugsmöglichkeiten haben. Das ist natürlich besonders in Großraumbüros kritisch und da kann es bei den Arbeitszonen auch auf Details ankommen. Wenn man zum Beispiel Paravents aufstellt, sollte man darauf achten, dass diese nicht niedriger als 1,40 Meter sind. So hat man auch im Sitzen die Chance, konzentriert zu arbeiten. Generell sind abgeschlossene Rückzugsmöglichkeiten immer zu bevorzugen.

derStandard.at: Welche Rolle spielen Farben bei der Wahrnehmung des Raumes?

Richter: Konzentriertes Arbeiten kann man auch durch die richtige Farbauswahl unterstützen. Farbe hat eine unmittelbare biopsychologische Wirkung. Es gibt aktive, warme Farben wie etwa gelb, orange oder rot versus blau und grün. In einer roten Umgebung hat man zehn Herzschläge mehr pro Minute, man ist biopsychologisch stärker aktiviert. Das hängt natürlich von der Arbeitsaufgabe ab, aber das kann möglicherweise schon zu stark sein. Es geht darum, den Zustand der entspannten Wachheit zu erreichen. Eine Büroumgebung sollte Anregung bieten und auch einzelne Farbakzente setzen. Wenn konzentriertes Arbeiten im Vordergrund steht, eignen sich Grün- und Blautöne am besten.

derStandard.at: Welche Farbtöne harmonieren am ehesten?

Richter: Eine sehr gute Orientierungshilfe hat Axel Venn entwickelt. Es handelt sich um ergonomisches Farbgestaltungskonzept. Er gibt für drei unterschiedliche Büroelemente jeweils eine begrenze Farbpalette vor. In der Regel sind das zwölf verschiedene Beige- oder Brauntöne mit einer geringen Sättigung. Das betrifft größere Flächen wie Schreibtische, Fronten von Büromöbeln und kleinere Elemente. Das Ganze ist wie eine Art Drehscheibe aufgebaut, wo man sich individuell Farbkombinationen zusammenstellen kann, die dann den eigenen Präferenzen entsprechen.

derStandard.at: Kommen bei Computerarbeit andere Parameter zum Tragen?

Richter: Bei Bürolandschaften ist ja der Gestaltungsspielraum durch die zentralen Arbeitsmittel eingeschränkt. Büroarbeit ist heute primär Computerarbeit. Arbeitswissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass die unmittelbare Farbumgebung vom Bildschirm einen nicht allzu starken Kontrast und eine nicht zu große Farbsättigung aufweisen sollte. Dunkle Arbeitsflächen oder Schreibtische führen zu Leistungseinbußen von bis zu 15 Prozent, weil sich das Auge umadaptieren muss zwischen dem relativ hellen Display und der übrigen Farbumgebung.

derStandard.at: Wie sollte im "idealen Büro" die Raumaufteilung aussehen?

Richter: State of the Art ist das so genannte Kombibüro. Eine Mischung aus größeren Besprechungsräumen und Raumnischen, die auch für informelle Kommunikation geeignet sind. Das kann zum Beispiel einfach nur ein Kaffeeautomat mit einem Stehtisch sein. Dazu kommen dann so genannte Zellenbüros, wo ein bis zwei Leute konzentriert arbeiten können.

derStandard.at: Wie sieht es mit der Anordnung der Schreibtische in den Zweierbüros aus? Sollte man nebeneinander oder gegenüber sitzen?

Richter: Je Schreibtisch sollte man zwei unterschiedliche Arbeitsorte gestalten, indem man zum Beispiel die Schreibtische abwinkelt. Der größere Bereich soll face-to-face mit dem Kollegen oder der Kollegin sein und dient dem Austausch, der Beratung. Die jeweiligen PC-Bereiche sind dann rechts oder links versetzt, damit konzentriertes Arbeiten auf dem Bildschirm gewährleistet ist. Das Gegenüber verschwindet dabei aus dem Blickfeld. In den meisten Fachzeitschriften wird empfohlen, auf höhenverstellbare Schreibtische zurückzugreifen. Aber wer verstellt schon die Schreibtischhöhe? Die bessere Lösung ist, einen geteilten Arbeitsplatz zu haben, also einen Sitz- und einen Steharbeitsplatz zu schaffen.

derStandard.at: Viele Büros verfügen über zu wenig Tageslicht. Wie kann man das kompensieren?

Richter: Fenster in Büroräumen sind natürlich ein ganz wichtiges Element. Wenn diese aber nicht in einem ausreichenden Maß vorhanden sind, dann sollten Tagesleuchten zum Einsatz kommen. Dazu kommt noch eine individuelle, arbeitsplatzbezogene Lampe. Diese Beleuchtung sollte im rechten Winkel zum Bildschirm positioniert werden. Und der Bildschirm wiederum im rechten Winkel zum einfallenden Tageslicht. Ideal wäre natürlich vom Schreibtisch aus einem Fenster zu schauen. Der Blick auf eine Landschaft hat gesundheitsfördernde Effekte. Wenn dies in einem Büro nicht möglich ist, dann könnte man das mit Landschaftsbildern kompensieren.

derStandard.at: Pflanzen wird ja eine sehr große Bedeutung zugeschrieben. Reichen solche aus, um "Landschaft" zu simulieren?

Richter: Man sollte auf jeden Fall mit Pflanzen arbeiten. Sie haben eine doppelte Wirkung: Auf der einen Seite fördern sie das seelische Wohlbefinden und auf der anderen Seite geht es auch um physische Aspekte, da sie eine feuchtigkeitsanreichernde Funktion haben. Pflanzen können etwa bei diffusen Kopfschmerzen oder Rachenentzündungen, die aus dem Betrieb einer Klimaanlage resultieren, helfen.

derStandard.at: Gebäude haben ja eine lange Lebensdauer und Arbeitsprozesse verändern sich ständig. Was sollte man jetzt bei der Planung von Büros berücksichtigen, damit dieser Arbeitsplatz auch noch in 30 Jahren brauchbar ist?

Richter: Es geht ganz klar in Richtung "Flex-Büro". Das sind relativ "neutrale" Bauten, wo man mit Systemen von variablen Wänden agieren kann. Wände, die dann bei Bedarf einfach versetzt werden. Man muss hier unterschiedliche Bürostrukturen schaffen, die schnell adaptierbar sind. Ein weiterer Trend ist, noch mehr Rückzugsmöglichkeiten zu schaffen. Zum Beispiel Räume, in denen man sich zwischendurch mittels Powernapping regenerieren kann. Hier müssen auch noch spezielle Komponenten wie Farbe, Lichteinstrahlung oder Akustik berücksichtigt werden.

derStandard.at: Ist das Stockwerk oder die Höhe des Gebäudes in Bezug aufs Wohlbefinden von Relevanz?

Richter: Es gibt noch keine validen Studien darüber. Hier spielt aber die Raumsymbolik eine Rolle. Die Chefetage wird zumeist an die Spitze solcher Hochhäuser gesetzt. Da befinden sich auch die größeren Einzelbüros für die Vorstände, wo dann auch Vorzimmer als Zugangsbeschränkungen fungieren. Das hängt aber von der jeweiligen Organisation ab. Eine strenge Hierarchie spiegelt sich in der Raumsymbolik sehr gut wider. (derStandard.at, 11.1.2009)