Über die Aussagekraft von Statistiken lässt sich streiten. Dass die Anzahl von Anzeigen gegen Kinder und Jugendliche zugenommen hat, muss nicht heißen, dass der Nachwuchs immer krimineller wird. Die Situation wird auch dadurch geprägt, dass die Bereitschaft, eine Anzeige zu erstatten, in den vergangenen Jahren generell höher geworden ist. Mehr als 90 Prozent der 572.695 im Vorjahr bekannt gewordenen Straftaten waren keine Verbrechen, sondern Vergehen - also Massendelikte, die mehrheitlich nicht von Polizei und Staatsanwaltschaft, sondern eben von Bürgerinnen und Bürgern selbst gemeldet wurden.

Dennoch sollten Angaben über eine wachsende Jugendkriminalität nicht als statistisches Wischiwaschi vom Tisch geschoben werden. Denn auch wenn einfach nur mehr angezeigt wird, muss man sich fragen, warum das so ist. Eine von Fachleuten oft gegebene Antwort ist: weil es sich nicht mehr um Lausbubenstreiche handle. Handys oder MP3-Player werden gestohlen oder "herausgeprügelt", Banden gehen regelrecht auf Raubzüge. Laut einer Umfrage des Vereines "Neustart" sehen 80 Prozent aller österreichischen Schüler Jugendgewalt als "großes" oder "sehr großes" Problem.

Als mögliche Lösung wird leider oft die "g'sunde Watschn" angeboten: Absenkung der Strafmündigkeit zum Beispiel oder Videoüberwachung im Klassenzimmer. Doch einfache Rezepte der Repression bleiben meist wirkungslos. Sinnvolle Präventionsprogramme hingegen kosten viel Geld und noch mehr Zeit. Aber von beidem haben Erwachsene immer zu wenig. (Michael Simoner/DER STANDARD-Printausgabe, 10.1.2009)