Österreich hat einen Dritten Nationalratspräsidenten, der zum zweiten Mal binnen drei Monaten gezwungen war, eine Erklärung über seine Einschätzung zum Nationalsozialismus abzugeben. Diesmal hat sich Martin Graf von einem Verlag distanziert, bei dem sogar nach Einschätzung des FPÖ-Politikers "eindeutig auch Nazipropaganda zu beziehen ist". Auch. Es sind die kleinen Wörter, auf die es manchmal ankommt. Wie in diesem Fall auch.

Wer hat denn verlangt, dass sich Graf von diesem Verlag distanziert? Eine direkte Verbindung vom Verlag zu ihm ist bisher nicht behauptet worden. Es geht nicht um den Verlag, sondern um zwei Mitarbeiter, die Graf beschäftigt und die dort Artikel bestellt haben. Anlass, sich von den beiden Mitarbeitern zu distanzieren, sieht der FPÖ-Politiker nicht. Warum auch? Es seien schließlich junge Männer Anfang zwanzig, sie hätten die Bestellungen getätigt, bevor sie ihren Parlamentsjob antraten. Schließlich sei es seine Aufgabe als Arbeitgeber, sie zu verteidigen.

Graf hat sich laut seiner Stellungnahme erst am 6. Jänner die Mühe gemacht zu schauen, was der Verlag überhaupt anbietet, bei dem zwei seiner Mitarbeiter Artikel bestellt haben. Mit dem Vorwurf vonseiten der Grünen, dass "ein Gutteil seiner Mitarbeiter Rechtsextreme seien" , sah sich Graf indes schon am 28. Dezember konfrontiert.

Vertreter der Regierungsparteien SPÖ und ÖVP wichen seither aus: Die ÖVP wollte einen Bericht abwarten, die SPÖ "schauen, ob die Vorwürfe stimmen" (Josef Cap). Auch die Präsidiumskollegen fanden erst jetzt Zeit zu einer Aussprache und halten die Distanzierung Grafs vom Verlag für ausreichend, die von seinen Mitarbeitern offenkundig nicht für notwendig. Denn, wie Graf in seiner Erklärung kundtat, wurde bei dem Dreiertreffen mit Barbara Prammer (SPÖ) und Fritz Neugebauer (ÖVP) Folgendes festgelegt: dass "es nicht um (...) Konsequenzen für die Mitarbeiter des Präsidentenbüros gehe, sondern um die prinzipielle Klärung und Distanzierung von solchem Gedankengut" .

Wunschgemäß stellte Graf fest: Von "Nazischund und -dreck distanziere ich mich neuerlich - wie bei ähnlich gelagerten Fällen in der Vergangenheit auch - ausdrücklich." Eine Bekräftigung, neuerlich. Also, was soll die Aufregung? Bei seiner Wahl zum Dritten Nationalratspräsidenten Ende Oktober befand die Mehrheit der Parlamentarier den rechten Burschenschafter für integer genug für dieses Amt. ÖVP-Chef Josef Pröll hat ausdrücklich eine Wahlempfehlung für Graf abgegeben.

All jene Abgeordneten, die ihn gewählt haben, können nicht behaupten, nicht gewusst zu haben, wofür die Olympia und wofür ihr Mitglied Graf steht. Graf ist Alter Herr der Burschenschaft Olympia, die sogar innerhalb der deutschen Burschenschaften zum extrem rechten Rand gehört und vom deutschen Verfassungsschutz beobachtet wird. Graf hat auch vor seiner Wahl nie ein Hehl daraus gemacht, in welchem Milieu er sich bewegt. Dass er Mitarbeiter engagiert hat, die eine solche Gesinnung mit ihm teilen, wer wird denn davon überrascht sein? Oder gar empört?

In einem anderen Land müsste ein solcher Parlamentspräsident zurücktreten. Aber Politiker von SPÖund ÖVP geben sich mit dieser Erklärung Grafs zufrieden. Das ist skandalös. Einzig Bundespräsident Heinz Fischer findet für seine Verhältnisse deutliche Worte, dass es nicht reiche, sich vom Gedankengut der NS-Zeit zu distanzieren. Man dürfe nicht einmal anstreifen. Aber in Österreich dürfen Menschen mit einer solchen Gesinnung im Parlament arbeiten. Nicht nur das Ansehen des Hohen Hauses, das des ganzen Landes ist beschädigt. Und zwar auch durch jene, die Graf gewählt haben. (Alexandra Föderl-Schmid/DER STANDARD-Printausgabe, 10./11. Jänner 2009)