Obamas Iran-Politik zwischen Sanktionen und Diplomatie


Atomprogramm erreicht 2009 kritischen Punkt
Gudrun Harrer
Wien - Die Warnungen vor einer baldigen Iran-Krise - "Israel wird nicht untätig werden", wurde etwa am Freitag der frühere US-Verteidigungsminister William Perry zitiert - fliegen dem künftigen Präsidenten Barack Obama nur so um die Ohren. Es gab sogar vereinzelt Spekulationen, dass Israel die Zeit vor dem 20. Jänner für einen Alleingang, einen Luftschlag gegen die iranischen Nuklearanlagen, nützen könnte. Andere halten es für unwahrscheinlich, dass Israel das Verhältnis zu Obama, der sich prinzipiell für einen Dialog ausgesprochen hat, gleich zu Beginn seiner Amtszeit so belasten könnte.

Die Schätzungen, wie viel niedrig angereichertes Uran (LEU) der Iran produzieren muss, um damit genügend hoch angereichertes (HEU) für eine Waffe herstellen zu können, schwanken zwar (700 bis 1000 kg) - aber die Analysten sind sich ziemlich einig, dass irgendwann 2009 dieser Punkt - genug LEU - erreicht wird. Es gibt zwei Philosophien: 1. Der Iran darf gar nicht so weit kommen. 2. Es muss verhindert werden, dass der Iran seine dann vorhandene "Break-out Capability" nützt, also das LEU tatsächlich in HEU weiter anreichert.

Unbemerkt ist dies übrigens nicht möglich, außer der Iran bricht vorher komplett mit der IAEO (Internationale Atomenergiebehörde). Ein Militärschlag wäre bestimmt ein Anlass dafür.

Auch angesichts der Tatsachen - das Uran-Anreicherungsprogramm macht langsame, aber stetige Fortschritte - wird die Frage immer wichtiger, wie 2. zu erreichen ist. Darüber scheiden sich die Geister. Was beim Umgang mit Teheran im Zentrum stehen soll, die Diplomatie oder die Sanktion, ist die Hauptfrage für Obama. Wird allerdings wirklich, wie kolportiert, Bill Clintons damaliger Nahostbeauftragter Dennis Ross Obamas Mann für den Iran, dann ist weiter damit zu rechnen, dass die Peitsche vor dem Zuckerbrot kommt.

Laut Trita Parsi vom National Iranian American Council (NIAC) ist es jedoch nicht mehr die Frage, ob die USA mit dem Iran reden werden, sondern nur mehr wie und wann. Vermehrt kommen von US-Offiziellen Anspielungen auf "gemeinsame Interessen" Irans und der USA, etwa in Afghanistan - so am Donnerstag von Central-Command-Chef General David Petraeus bei einer Konferenz in Washington darüber, was auf Obama zukommt. Das Schlagwort "regionale Zusammenarbeit" inkludiert Iran, ohne dass man es ausspricht.

Für Ray Takeyh vom Council of Foreign Relations ist, wie er in einem Artikel für den Boston Globe schreibt, eine iranische Haltungsänderung am ehesten zu erreichen, indem man "eine Situation schafft, in der Irans Führung strategische Vorteile darin sieht, sich an internationale Normen zu halten".

Takeyh geht dabei ziemlich weit: Für diese Verhaltensänderung (nicht nur im Atomstreit, auch die Aufgabe seiner Unterstützung für Hisbollah und Hamas und eine konstruktive Rolle im Irak) sei Teheran "eine Gelegenheit zum führenden regionalen Staat aufzusteigen" zu bieten. Das dürfte jedoch nicht nur Israel, sondern auch vielen Arabern in der Region missfallen.

Die Frage kann natürlich nicht ignoriert werden, wie es im Iran innenpolitisch weitergeht - und das werden Obama und die internationale Gemeinschaft erst nach den iranischen Präsidentschaftswahlen im Juni wissen. Auch wenn viele Iraner - auch im politischen Establishment - Präsident Mahmud Ahmadi-Nejads Politik als schädigend empfinden, bleibt zu sehen, ob die Islamische Republik Iran, die heuer ihr 30. Gründungsjahr feiert, die Gegnerschaft zu den USA nicht für ihr mühsam aufrechterhaltenes revolutionäres Selbstverständnis braucht.

Die Wahl Obamas, so Karim Sadjadpour (Carnegie Endowment, Washington) habe jedoch heftig am iranischen Narrativ über die USA gekratzt: Im bösen Amerika wird einer Präsident, dessen Mittelname "Hussein" ist! Aber die iranische Jugend war schon vorher die US-freundlichste im ganzen Mittleren Osten - und das passt wiederum nicht ins westliche Narrativ. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 10./11.1.2009)