Idylle bedeutet eine poetische Darstellung behaglicher, glücklicher Zustände, insbesondere im Zusammenhang mit der Natur. So steht es in Lexika; anders bei Michael Köhlmeier. Idylle mit ertrinkendem Hund heißt das schmale, wiewohl weitgreifende Prosawerk, in dem er die Gattungsbezeichnung kontert, um am Ende in einer Errettung den üblichen Sinn existenziell vertieft mitschwingen zu lassen. Der Beginn verweist auf Privates und den Tod, das Motto stammt von Tochter Paula, die mit 21 tragisch zu Tode stürzte und dem Ich-Erzähler und seiner Frau Monika stets präsent ist.

Der scheinbar nur mit Literatur lebende, auf Abstand bedachte Lektor Dr. Beer kommt zum Autor ins verschneite Hohenems, um am Manuskript zu arbeiten. Als er Monika und den von ihr gestalteten "Dschungel" sieht, eine arrangierte Idylle von Echtem und Falschem im Wohnzimmer, taut er auf, während der Föhn einsetzt - und Köhlmeier die Grundthemen Glück und Unglück, Natürliches und Künstliches, Literatur und Leben anlegt. Auf einer Wanderung trifft der Lektor auf einen großen Streuner.

"Rimbaudscheiße"

"Der Mann", wie er in dieser Episode zum Allgemeinen benannt ist, und der Hund, das ist eine ungemein klare Darstellung einer merkwürdigen Annäherung zweier Geschöpfe. Der Hund kommt dem Autor und Dr. Beer auf ihrem Winterweg nochmals entgegen, bricht im Eis des Alten Rhein ein, der Lektor hastet um Hilfe, der Autor kriegt den ertrinkenden Hund zu fassen, ruft um Hilfe: "Er war sich nicht sicher, ob sein Schrei wirklich war oder ob er ihn nur gedacht hatte oder geträumt hatte. / Da brach das Eis unter ihm ein." Darauf setzt das nächste Kapitel wieder mit dem Ich und dem Unbewussten ein: "Ich habe geschrien. Das weiß ich. Oder besser: Es hat in mir geschrien."

Das ist der Kulminationspunkt, auf den Köhlmeier fein hinführt, indem er zuvor in knappen Strichen den tiefen Hintergrund zeichnet: vor allem die Reaktionen auf den Tod der Tochter und in einem imaginierten Gespräch mit dem Lektor die Frage, wie darüber zu schreiben sei. "Du bist dir nicht sicher, ob du Literatur machen willst oder bloße Erinnerung." Auf dem dünnen Eis sieht sich Ich als anderer, Köhlmeier wechselt in die Er-Erzählung und es gelingt ihm, eine Sentimentalisierung zu vermeiden, die Paula als "Rimbaudscheiße" verurteilt hatte. Präzise schafft er nicht bloße Erinnerung, sondern große Literatur. Pointiert bringt er Situationen, Gefühle, Lebensfragen nahe, mit einem Motivnetz verknüpft und, den Figuren gemäß, mit literarischen Assoziationen unterlegt.

Absturz und Weiterleben

Idylle kokettiert mit Zeitlosigkeit, Köhlmeiers Protagonisten versuchen etwas von Veränderung zu verstehen, von Absturz und Weiterleben. Paula hatte nicht mehr in ihrem Zimmer schlafen wollen, es hatte sie "zu sehr an die, die sie gewesen war", erinnert. Der Vater-Erzähler berichtet von der Rettung auf dem Eis, er könne "den, der ich damals war, heute nicht in mir wieder finden". Es sei denn im übertragenen Sinn, wie man eine literarische Figur in sich wieder finde. Dies ist Köhlmeier bestens gelungen, dieser Boden der Sprachkunst trägt. (Von Klaus Zeyringer/DER STANDARD-Printausgabe, 10./11. Jänner 2009)