Kurt Palm demissioniert als Kolumnist, der Chef der Beilage folgt ihm als Kolumnist nach. Ich weiß, dass ich mich damit, wie jeder Nachfolger, der Gefahr aussetze, unvorteilhaft mit dem Vorgänger verglichen zu werden. In der vergangenen Nacht träumte ich von einem Ehepaar, das Samstagmorgen beim Frühstück sitzt. Frohgelauntes Kipfeltunken, Semmelschmieren und Eierköpfen, der Griff zum Standard, zum ALBUM, der Blick des Ehemannes rastet auf Seite 3 ein, eine erste Irritation, weil er nicht findet, was er zu finden hoffte, mürrischer Beginn der Lektüre, die Stimmung wird frostiger und frostiger, bis er schließlich, verärgert, über Butterdose und Teekanne hinweg der Gemahlin seine Einschätzung mitteilt: „Der Palm war aber besser“.
Ein klassischer Kolumnenbeginneralbtraum also. Ich kann mich dagegen nur mit der durchsichtigen Strategie wehren, die Vorteile des Vorgängers zu preisen und die Größe der Fußstapfen zu beschreiben, in die zu treten ich mich vermesse. Und Kurt Palm ist groß. Der Mann brilliert in Wien, kennt Oberösterreich wie seine Westentasche, hat in New York inszeniert, führt dutzende Leben, als Regisseur, Autor, KPÖ-Aktivist, Marx-Exeget und Wasweißichnoch. Ich hingegen ziehe meine kleinen Kreise rund um die Herrengasse 19–21, ab und zu eine Leberkässemmel beim Raddatz oder ein Hopfenkracherl im Holunderbusch, und das war’s dann auch. Eine Berufsexistenz am Nordrand des ersten Wiener Gemeindebezirks, mit einem Horizont, der kaum über den Ring hinausreicht. Eine Verengung der Perspektive zeichnet sich ab, eine Kolumnenkrise oder gar eine Kolumnenkatastrophe. Aber: Die Kolumne muss weitergehen, weil sie ihrer geringen Entstehungskosten wegen zu den krisentauglichsten journalistischen Formen überhaupt gehört. Kolumnen sind Meinungsstücke, und die Meinung zu einer Sache ist in der Regel wohlfeiler als eine Ahnung von ihr. Kolumnen kommen billig, während bei der Produktion von Ahnungsstücken (Reportagen, Kommentaren etc.) tendenziell Kosten anfallen (Telefonate, Reisen, manchmal gar ins Ausland). Dreimal dürfen Sie raten, warum in Krisenzeiten Kolumnen ins Kraut schießen. Unter Medienkritikern macht schon das Wort Kolumnitis, nach dem Muster von Krankheiten wie Arthritis gebildet, die Runde. So gesehen, fängt das Jahr also unschön an. Aber es gilt, wie bei jeder Krise, der Satz: Da muss man durch. (Christoph Winder/ALBUM, DER STANARD, Printausgabe, 10./11.1.2009)