Ex-Spin-Doktor Egemen Bagis.

Foto: Bagis

Nach jahrelangem Hin und Her bekommt die Türkei nun erstmals einen Minister für EU Angelegenheiten. Der neue Chefunterhändler für den türkischen EU Beitritt ist Egemen Bagis, der bisherige Spin-Doktor und außenpolitische Berater von Ministerpräsident Tayyip Erdogan. Seit Beginn der Beitrittsverhandlungen hatte den Job mehr schlecht als recht Ali Babacan zu verantworten, zu Anfang im Schatten des damaligen Außenministers Abdullah Gül, später, selbst Außenminister geworden, als eher lästiges Anhängsel des neuen Amtes. Mit der Ernennung von

Egemen Bagis will Erdogan dem EU-Prozess nun neue Impulse geben.
Der erst 38-jährige Bagis gehört zu den Jungstars der islamisch grundierten AKP und hat in den letzten Jahren eine erstaunliche Karriere hingelegt. Er ist einer der „Amerikaner" im Umfeld von Erdogan. Der im Südosten der Türkei geborene Bagis hat in den USA studiert. Zu Beginn noch Erdogans Dolmetscher bei USA-Reisen, brachte er es schnell auch zum inhaltlichen Berater bei allen Fragen, die die USA betreffen. Bagis gehört zu den Schildknappen Erdogans, dem Chef bedingungslos ergeben. Er bewährte sich vor allem als Spin-Doktor für die internationale Presse. Wann immer es um heikle Themen wie Zypern oder die Armenien-Frage ging, war er zur Stelle, um Erdogans Sicht so zu verkaufen, dass sie für die westliche Presse kompatibel wurde. Er scheute auch nicht davor zurück, sich bei den Chefredakteuren von Financial Times, Economist oder auch der Zeit zu beschweren, wenn deren Türkei-Korrespondenten seinen Herrn und Meister in kritischem Licht dargestellt hatten. So viel Treue wurde zunächst mit einem Sitz im Parlament und später noch mit dem Posten eines stellvertretenden Parteivorsitzenden belohnt.
Auch seine jetzige Ernennung zum Staatsminister für EU-Fragen hat zuallererst mit seiner Loyalität zu Erdogan zu tun. Zwar hat Bagis mehr internationale Erfahrung als die meisten anderen AKP-Funktionäre, ist aber kein ausgewiesener Kenner der EU. Trotzdem kann es natürlich die Kommunikation mit Brüssel befördern, wenn in Ankara endlich ein Mann als Ansprechpartner da ist, der das Ohr des Ministerpräsidenten hat.

Die EU fordert von der Türkei etwa, die Minderheitenrechte zu verbessern. Brisant ist auch der Umgang mit dem Völkermord an den Armeniern während des Ersten Weltkriegs. Die Organisatoren einer türkischen Internetkampagne mit der Bitte um Verzeihung für Massaker müssen nun mit einer Strafe rechnen. Der türkische Chefankläger habe Ermittlungen wegen Beleidigung der türkischen Nation eingeleitet, berichten Medien. Den Organisatoren droht damit ein Verfahren nach dem Strafrechtsparagrafen 301, den die EU mehrfach kritisiert hat. Der Aufruf wurde von mehr als 26.000 Menschen unterschrieben.
Am Sonntag hat im Zuge der Ermittlungen gegen das rechtsgerichtete Netzwerk Ergenekon ein Gericht in Istanbul Haftbefehle gegen neun weitere Verdächtige erlassen. (Jürgen Gottschlich aus Istanbul, DER STANDARD, Printausgabe, 12.1.2009)