Vor 101 Jahren war der Innsbrucker Hermann Schloffer der erste Mediziner, der es wagte, einen gutartigen Tumor der Hypophyse über die Nase zu entfernen - mit Erfolg. Weltweite Anerkennung hat die transnasale transsphenoidale Hypophysenchirurgie aber erst mit der Erfindung des Operationsmikroskops Ende der 60er-Jahre gefunden. Die weitaus aufwändigere Eröffnung des Schädels von außen ist parallel dazu eine angemessene Alternative geblieben. Erst mit der Einführung des Endoskops, einem Gerät, das es möglich macht, von außen in Hohlräume vorzudringen und mittels Kamera zu operieren, hat Schädelöffnungen an Bedeutung verlieren lassen.

15 Prozent aller Hirntumore finden sich in der kirschkerngroßen Hirnanhangdrüse. Obwohl die meisten davon gutartig sind, ist die operative Entfernung häufig unumgänglich. Vor allem dann, wenn hormonausschüttende Adenome Probleme machen oder der Tumor auf benachbarte wichtige Strukturen, etwa den Sehnerv, drückt.

Die Idee, solche Tumore über die Nase zu entfernen, drängt sich rein anatomisch betrachtet auf. Die Hirnanhangdrüse sitzt nämlich in unmittelbarer Verbindung über der Nase, im Türkensattel, einer knöchernen Vertiefung in der Mitte der Schädelbasis. Das Mikroskop von außen hat den Neurochirurgen jahrzehntelang zu mehr Übersicht im Inneren des Körpers verholfen. Die Nase selbst war der Tunnel, offengehalten mit einem rohrförmigen Instrument, um den direkten Blick auf das Zielobjekt Hypophyse freizugeben.

Freie Sicht

"Gesehen hat man dabei so gut wie nichts", erinnert sich Michael Mokry, stellvertretender Leiter der Universitätsklinik für Neurochirurgie in Graz. Viele Tumore wurden deshalb unvollständig entfernt und gezieltes Präparieren war ein bisschen wie russisches Roulette. Oft wurden die naheliegenden Sehnerven und Gefäße mit mehr Glück als Verstand nicht verletzt.

Das Endoskop war im Kopfbereich lange Zeit eine Domäne der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. In Graz hat Heinz Stammberger, einer der weltbesten Nasenendoskopiker und Leiter der Klinischen Abteilung für Hals-Nasen-Ohren-Kunde, die Neurochirurgen motiviert, Hypophysentumore endoskopisch zu operieren.

Die anatomischen Grundlagen dazu hat Manfred Tschabitscher, Leiter der Abteilung für systematische Anatomie der medizinischen Universität in Wien, erarbeitet. "Mit dem Auge des vier Millimeter dicken Endoskops ist man nun direkt vor Ort", betont der Anatom und nahm den Chirurgen die Scheu, sich in dieser heiklen Region endoskopisch zu betätigen. Seit nunmehr fünf Jahren bilden in Graz HNO- und Neurochirurgen ein Team. Der eingeschränkte Tunnelblick der mikroskopischen Methode gehört der Vergangenheit an. Auch kleinste Winkel sind durch die neuen Technologien einsehbar geworden.

Transnasale Perspektiven

"Wir haben schon Meningenome von Faustgröße über die Nase entfernt", erzählt Mokry und will das Endoskop auch bei die Entfernung anderer Tumore an der Schädelbasis, im Hirnstamm oder im Großhirn längst nicht mehr missen.

Die Methode ist radikal, was medizinisch gesehen aber von Vorteil ist, denn erst mit dem Endoskop wurden viele Tumore auch zur Gänze entfernbar. Die Kriterien der minimal invasiven Chirurg sind, so Mokry, trotzdem erfüllt. Denn natürlich wird der Schädel eröffnet, allerdings viel kleiner und nicht sichtbar von unten über die knöcherne Basis. Drei bis vier Tage später gehen die meisten Patienten nach Hause. Viele davon sind geheilt. (phr, DER STANDARD, Printausgabe, 12.1.2009)