Die Militäroffensive Israels gegen die palästinensische Hamas im Gazastreifen steht weiter im Zentrum internationaler Pressekommentare:

"Libération" (Paris):

"Die israelische Armee kann diesen Krieg gewinnen und ihren Ruf der Unbesiegbarkeit wiederherstellen, was das strategische Ziel dieser groben Militäroperation ist. Die verletzte und zerschlagene Hamas kann soweit aufgelöst werden, um dauerhaft als politische und militärische Organisation geschwächt zu werden... Und dann? Jeder tote Zivilist schürt den Hass und die Rachegelüste der Überlebenden und liefert den Extremisten ein unerschöpfliches Reservoir an neuen Rekruten. Um diesen 60 Jahre alten Krieg zu beenden, muss Israel notgedrungen Gesprächspartner finden. Deren Vernichtung und ein Sieg ohne Perspektive zeichnet eine in Blut geschriebene Zukunft."

"La Croix" (Paris):

"Erstmals haben jetzt Israelis zu verstehen gegeben, dass ein Ende der Offensive abzusehen ist. Die weltweiten antiisraelischen Kundgebungen und die Waffenstillstandsforderung des UNO-Sicherheitsrats haben gewiss nur eine untergeordnete Rolle bei dieser Kehrtwende gespielt. Die israelische Regierung muss damit rechnen, dass ein weiterer Vormarsch im Gazastreifen einen Straßenkampf mit vielen Toten bei Palästinensern und Israelis bedeuten würde, und das kurz vor den Wahlen in Israel am 10. Februar. Und davor wird am 20. Jänner eine neue Regierung in den USA das Amt übernehmen. Israel muss sich das Wohlwollen Washingtons erhalten. Das spricht dafür, die Operation 'Gegossenes Blei' möglichst rasch zu beenden."

"Süddeutsche Zeitung" (München):

"Der Raketenterror der Hamas, die Israel zerstören will und vom Iran ausgebildet und finanziert wird, schwächt Israels Abschreckungspotenzial. Mit einer der bestausgerüsteten Armeen der Welt erteilt Israel der Hamas nun eine Lektion - und bombt sich dabei selbst in eine Sackgasse. Wer einen Krieg startet, muss zuvor sämtliche Möglichkeiten genutzt haben, ohne Armee-Einsatz sein Ziel zu erreichen. Ein Krieg muss zudem die Proportionen wahren. Und er muss die Chance in sich bergen, das Kriegsziel erreichen zu können. In allen drei Punkten steht Israel schwach da: Israel hat nie mit Hamas versucht zu reden, 820 tote Palästinenser und 13 tote Israelis sprechen für sich, und ein konkretes Kriegsziel hat die Regierung bis heute nicht formuliert. Beim Kampf gegen die Islamisten-Guerilla zeigt sich Israel unempfänglich für die internationalen Aufrufe zu einer Waffenruhe. Das Land und seine Politiker haben sich abgeschottet, Kritik perlt an ihnen ab. Beim gnadenlosen Einsatz von Luftwaffe, Marine und Bodentruppen sieht sich Israel im Recht. (...) Der Alleingang, die Härte und die Taubheit gegenüber internationaler Kritik hat einen weiteren Grund: Im Gaza-Streifen kämpft Israel einen Stellvertreterkrieg gegen den Iran. Die Milizen von Hamas im Gaza-Streifen und Hisbollah im Libanon sind Vorposten Irans. Israels Gazakrieg ist eine blutige Warnung an Teheran, dass Israel auch ohne US-Unterstützung iranische Atomanlagen angreifen würde. In Jerusalem hat sich das Gefühl manifestiert, dass Israel wie im Falle der Hamas auch im Bezug auf Iran allein dasteht."

"Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ):

"Eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas hängt von zwei Faktoren ab: Der erste ist das Kampfziel der israelischen Armee. Sie will die Gefährdung der israelischen Bevölkerung durch Raketenbeschuss und den Waffennachschub über Tunnel aus Ägypten stoppen. Diesem Ziel müsste sie nach mehr als zwei Wochen mit Luftangriffen und acht Tagen Bodenoffensive nahe gekommen sein. Der zweite Faktor ist der öffentliche Druck, der aus der Macht der Bilder entsteht: Die israelische Regierung hat sich davon bisher nicht beeindrucken lassen; Hamas hat ihr das Ignorieren einer Resolution des UN-Sicherheitsrates auch leichtgemacht. Doch jetzt schwappt der Konflikt um Gaza auch auf die Straßen der westlichen Welt über. Besonders in europäischen Ländern mit hohem muslimischen Bevölkerungsanteil wächst die Sorge, dass aus Protesten Gewalt werden könnte."

"die tageszeitung" (TAZ) (Berlin):

"Es scheint, als hätten die Zehntausende von Demonstranten in Europa mehr als alle europäischen Politiker verstanden, dass der Krieg in Gaza ein Verbrechen an der Zivilbevölkerung ist. Ein Verbrechen, das beendet werden muss. Es ist bedauerlich, dass jüdische Gemeinden in einer solchen Lage zur Solidarität mit einer Kriegsmaschinerie aufrufen, die auf zivile Opfer so wenig Rücksicht nimmt, wie dies die israelische Armee derzeit tut. Wenn rund vierzig Prozent der Toten in einem Krieg, der sich offiziell nur gegen eine terroristische Organisation richten soll, Frauen und Kinder sind, dann wird es Zeit für ein Umdenken und ein Eingreifen. (...) Hat irgendwer gehört, dass Frau Merkel erklärt hätte, dass es unerträglich sei, wenn Israel eine UNRWA-Schule, deren genaue Koordinaten der israelischen Armee vorliegen, bombardiert oder mit Panzergranaten beschießt? Stellen Sie sich vor, es gäbe nicht 450 tote israelische Zivilisten in diesem Krieg wie auf palästinensischer Seite, sondern nur 45. Man kann sich leicht vorstellen, welche Hebel in Bewegung gesetzt worden wären, um einem solchen Gemetzel ein Ende zu setzen. Die Doppelmoral, das Messen mit zweierlei Maß - das ist es, was den Westen, die USA und Europa in der arabischen Welt so unbegreiflich und zu Recht verhasst macht. Sind die Ausflüchte, Lügen, Verdrehungen und Halbwahrheiten, die jeden Krieg begleiten, auf israelischer Seite vielleicht wahrhaftiger als die auf arabischer? Haben wir schon vergessen, mit welcher Lüge der Irakkrieg begründet wurde? Anders gefragt: Ist palästinensisches Blut weniger wert als israelisches?"

"Corriere della Sera" (Mailand):

"Das Erstarken der Hamas in Palästina oder der Hisbollah im Libanon hat den politischen Rahmen radikal verändert. Dazu kommt die Tatsache, dass all diese Gruppierungen Teil einer islamistischen Galaxis sind, die sich in jeder Ecke der Welt an den gleichen Ordnungsparolen erkennt und die eigene Identität von denselben Feinden ableitet - die 'gemäßigten' Muslime, der korrupte und materialistische Westen, die Juden und die Ungläubigen. Unter diesen Gegebenheiten ist es nicht mehr möglich, an Konfliktlösungen zu denken, wie sie noch zur Zeit der Vereinbarungen von Oslo plausibel waren. 'Frieden gegen Land' ist ein realistischer Kompromiss nur dann, wenn die wesentlichen Akteure rein politische Ziele haben."

"Berliner Zeitung":

"(Der künftige US-Präsident) Obama ist vorsichtig. Er lässt sich Zeit, betrachtet ein Problem von allen Seiten und bedenkt die Konsequenzen. War es nicht das, was man sich nach dem Hau-Ruck-Bush, der seine Entscheidungen vor allem aus dem Bauch heraus traf, wünschte? Aus seiner Sympathie für Israel hat Obama nie einen Hehl gemacht. Seine politische Karriere wäre ohne die Unterstützung der linksliberalen jüdischen Gemeinde in Chicago niemals möglich gewesen. Doch seine jüdischen Unterstützer sind keine Neokonservativen, sondern Menschen, die an Diplomatie glauben. Sie befürworten Obamas Vorhaben, mit Iran und Syrien direkt zu verhandeln. Al-Kaida verurteilte Obamas Schweigen zum Nahostkonflikt als ein 'Geschenk an Israel'. Doch ihre Kritik ist vor allem ein Zeichen dafür, dass sie befürchtet, Barack Hussein Obama, der auch in muslimischen Teilen der Welt Hoffnungen weckt, könnte erfolgreich sein..."

"Neues Deutschland" (Berlin):

"Es ist allmählich auch in israelischen Zeitungen zu lesen, dass der Waffenstillstand nicht von Hamas, sondern von der israelischen Armee gebrochen wurde. Doch auch dies ist eine Nebensache, angesichts der völlig unverhältnismäßigen Kriegsführung, die keinen Unterschied zwischen Kämpfern und Frauen mit ihren Kindern macht, weder Schulen noch Moscheen schont. Kein politisches Ziel, kein Verteidigungs- oder Notwehrrecht vermag einen solchen Krieg zu rechtfertigen. Eine Verhöhnung der UNO-Charta, eine Barbarei unter den Augen von Staaten, die ihre Schwäche oder Feigheit hinter einer milden Kritik verstecken, die eher Zustimmung als Ablehnung signalisiert. Notwendig sind nicht humanitäre Korridore, sondern der endgültige Stopp der Waffen, die Öffnung der Übergänge, um all die Tunnel überflüssig zu machen, durch die nicht nur Waffen, sondern vor allem die notwendigsten Lebensmittel zum nackten Überleben geschleust wurden. Die Formel für die Sicherheit Israels heißt nicht 'Nieder mit Hamas', sondern 'Freiheit für Gaza'. (...) Nach dem Schweigen der Waffen wird man wieder vor der alten Frage stehen, wie der Frieden zwischen den beiden Völkern dauerhaft gesichert werden kann. Und es wird wieder nur einen Weg geben: Verhandlungen."

(APA/dpa/AFP)