Brüssel - Über die tatsächliche Aufnahme des Betriebs im zweiten Block des AKW Jaslovske Bohunice V-1 soll der slowakische Wirtschaftsminister Lubomir Jahnatek entscheiden. Jahnatek werde abhängig von den tatsächlichen Gaslieferungen in die Slowakei eine Entscheidung treffen, erklärte Regierungschef Robert Fico bei einer Pressekonferenz am Montag in Bratislava (Preßburg). Er habe angeordnet, das Hochfahren des Reaktors vorzubereiten sowie die EU-Staaten von der Notwendigkeit des Schritts zu überzeugen, so Fico weiter.

Fico bat Österreich, wo Regierung, Opposition und Umweltschützer lautstark gegen den Schritt der slowakischen Regierung protestierten, um Verständnis: "Ich möchte Österreich, die österreichische Bürger um Verständnis für die Situation der Slowakei ersuchen - und respektiere dabei voll ihr Recht auf Kritik an der Slowakei."

EU-Kommission kündigt Konsequenzen an

Wegen der Wiederinbetriebnahme eines kürzlich stillgelegten Reaktorblocks des Atomkraftwerkes Jaslovske Bohunice hat die EU-Kommission der Slowakei Konsequenzen angedroht. Die Wiederinbetriebnahme sei "eine klare Verletzung des (EU-)Beitrittsvertrages", sagte ein Kommissionssprecher am Montag in Brüssel. Die EU-Kommission werde darauf reagieren.

Um welche Konsequenzen es sich dabei handeln könnte, sagte der Sprecher von Energiekommissar Andris Piebalgs nicht. Dies sei Gegenstand einer rechtlichen Analyse. Piebalgs werde zunächst den zuständigen slowakischen Minister am Rande eines Sondertreffens der EU-Energieminister am Montag in Brüssel anhören.

Ein neuerliches Hochfahren wäre aber "eine ernsthafte Verletzung von EU-Primärrecht", sagte der Sprecher. Was dies heiße, werde man in den kommenden Stunden oder Tagen wissen.

Österreichischer Umweltminister Berlakovich ist erzürnt

Umweltminister Nikolaus Berlakovich (V) hat sich angesichts der geplanten Aktivierung eines stillgelegten Reaktorblocks des slowakischen Atomkraftwerks Jaslovske Bohunice am Montag erzürnt gezeigt. Er habe Protestbriefe an seinen slowakischen Amtskollegen sowie an EU-Umweltkommissar Stavros Dimas geschickt, sagte der Minister bei einer Pressekonferenz am Montag in Wien. Die österreichische Regierung habe von den Plänen der Slowakei aus den Medien erfahren, sagte er. Erst danach sei ein Brief an alle EU-Mitgliedstaaten ergangen.

EU-Kommissar Figel kritisiert Premier Fico

Der slowakische EU-Kommissar Jan Figel, der auch die EU-Beitrittsverhandlungen für die Slowakei geführt hatte, hat Äußerungen von Premier Robert Fico zum umstrittenen Atomkraftwerk Jaslovske Bohunice scharf zurückgewiesen. Konkret kritisierte er die Aussage Ficos, wonach die Zustimmung zur Abschaltung des AKW V-1 ein "Kapitalfehler" gewesen sei. "Hätten wir die Forderung der EU, das AKW V-1 stillzulegen, abgelehnt, so hätten wir nicht im Jahr 2004 der EU beitreten können", sagte Figel der Tageszeitung "Sme" (Montag). "Wir hätten erst zusammen mit Rumänien und Bulgarien beitreten können."

Nach Angaben Figels kam die Forderung zur Abschaltung von Bohunice V-1 nicht nur von Österreich, sondern auch von Frankreich. "Ich hatte erwartet, dass die Position Frankreichs entgegenkommender sein wird. Die Position Frankreichs war aber identisch mit der Position Österreichs. Die EU forderte ursprünglich, das AKW V-1 schon im Jahr 2000 abzustellen. Wir waren froh, dass wir den Termin um sechs und acht Jahre verschieben konnten".

Wiederinbetriebnahme soll Energie-Blackout verhindern

Der Ministerpräsident betonte erneut, dass die Wiederinbetriebnahme des zweiten Blocks einen durch den Ausfall der russischen Gaslieferungen drohenden Energie-Blackout verhindern solle. Jahnatek befindet sich derzeit wie Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (V) in Brüssel beim EU-Sonderministerrat der Energieminister.

Befristeter Betrieb

"Wir warten auf Information aus Brüssel", bestätigte der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Peter Ziga, der Tageszeitung "Sme", dass der vor zwölf Tagen stillgelegte Reaktor noch nicht wieder im Einsatz ist. Er sollte laut Fico-Sprecherin Silvia Glendova nur für eine befristete Periode in Betrieb gehen. Im Reaktor befindet sich Brennmaterial für 80 Tage.

Die Lage in der stark von russischen Gaslieferungen abhängigen Slowakei sei auch durch die Tatsache, dass im Kraftwerk Zemianske Kostolany Feuer ausgebrochen war, erschwert. "Das bedeutet weiteren Druck auf das System zur Energieherstellung", sagte der Sprecher der Slowakischen Elektrizitätswerke (SE), Juraj Kopriva. "Wir sind an der Grenze mit den Reserven", betonte auch Peter Adamec, Chef des slowakischen Leitungssystems. (APA)