Berlin - Ein undurchsichtiges Netz an Zwischenhändlern und Profiteuren scheint eine echte und tragfähige Lösung im russisch-ukrainischen Gasstreit zu behindern. "Es geht in dem Konflikt auch um persönliche Bereicherungsstrategien", sagte die Energieexpertin der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik, Kirsten Westphal, am Montag. Dies müsse auch von der Europäischen Union bedacht werden.

"Gasstreit weiterhin ungelöst"

"Man braucht unbedingt eine transparente und langfristige Lösung im Streit um die Weiterleitung russischen Gases", sagte Westphal. "Denn eines darf nicht vergessen werden: Auch wenn russisches Gas wieder fließt und Kontrolleure zum Einsatz kommen, ist der Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine weiterhin ungelöst."

Neben mangelndem Vertrauen zwischen den beiden Streithähnen, dem russischen Vorwurf des Gasdiebstahls und dem Streit um höhere Preise und Transitgebühren habe der Konflikt tiefere Ursachen, meinte Westphal. Dreh- und Angelpunkt sei dabei der "ominöse Zwischenhändler" Rosukrenergo. Dieser kauft Erdgas in den zentralasiatischen Ländern Turkmenistan, Usbekistan und Kasachstan. Dieses wird durch Gazprom-Pipelines bis an die russisch-ukrainische Grenze transportiert und an den ukrainischen Konzern Naftogaz verkauft.

Der Großteil geht an die Ukraine. Nach dieser Übereinkunft soll die Ukraine bisher 179,50 US-Dollar (131,2 Euro) pro 1.000 Kubikmeter Gas überwiesen haben, sagte Westphal. Das Preissystem sei aber sehr komplex. Der Rest des von Rosukrenergo vertriebenen Gases wird über ukrainische Transitpipelines in den Westen gepumpt. Dieser Teil gilt als sehr lukrativ, da der Westen mehr als doppelt so viel bezahlt wie die Ukraine. An Rosukrenergo sind sowohl Gazprom beteiligt als auch die beiden ukrainischen Oligarchen Dmitri Firtasch und Iwan Fursin, die zu den reichsten Männern der Ukraine gehören.

Inner-ukrainischer Streit

Für Gazprom war die Firma laut Experten bisher interessant, weil sie Zugang zum ukrainischen Markt verschaffte. In der ukrainischen Führung sei Medienberichten zufolge nun aber ein Streit entbrannt, erklärte die Berliner Wissenschaftlerin. Es seien immer wieder Gerüchte laut geworden, dass die beiden Oligarchen Firtasch und Fursin Präsident Viktor Juschtschenko nahe stehen. "Das Lager um Ministerpräsidentin Julia Timoschenko scheint Rosukrenergo dagegen als Zwischenhändler ausschalten zu wollen", sagte Westphal. "Das Mitmischen in dem Gasgeschäft ist extrem lukrativ."

Nach Angaben der "Financial Times Deutschland" soll Rosukrenergo mit 50 Mitarbeitern von 2005 bis 2007 einen Reingewinn von 2,3 Mrd. Euro erwirtschaftet haben. Deshalb torpediere das Unternehmen womöglich die Verhandlungen, um weiter an dem Geschäft beteiligt zu bleiben. Wie das Konsortium zum Bau der Ostsee-Pipeline, Nord Stream, hat auch Rosukrenergo seinen Sitz im schweizerischen Zug. Es sei aber unklar, wer in der Ukraine und Russland alles an diesem Geschäft des Zwischenhandels mitverdiene, sagte Westphal.

"Neben dem Aspekt des gewinnträchtigen Zwischenhandels geht es aber auch um die zukünftige Kontrolle der Pipelines." Neben Alternativen wie der Gas-Pipeline durch die Ostsee nach Deutschland versuche Gazprom auch Anteile am ukrainischen Pipeline-Netz zu kaufen, sagte Westphal. Diese "schwer zu durchblickende" Gemengelage erschwere eine rasche Lösung - beide Seiten haben unterschiedlichste Forderungen und Ziele. "Und die Ukraine hat definitiv nicht das Geld, die nun von Moskau geforderten Gaspreise zu zahlen." Russland hatte zuletzt rund 450 US-Dollar pro 1.000 Kubikmeter Gas vom Nachbarland gefordert - dies wäre für die chronisch klamme Ukraine mitten in einer großen Wirtschaftskrise mehr als doppelt so viel wie bisher. (APA/dpa)