Michael Bobik ist Energietechniker und leitet den Studiengang Energie-, Verkehrs- und Umweltmanagement der FH Joanneum in Kapfenberg.

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Bioenergie: Mit ein paar Feldern zur Produktion ist es nicht getan, eine wirklich alternative Energiezukunft sieht erheblich radikaler aus.

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Was macht den Gedanken an fehlendes Erdgas um so viel unangenehmer als den an die Finanzkrise? Die Finanzkrise ist irgendwann mit Schmerzen überwunden, indem man hoffentlich gleichzeitig die richtigen Lehren daraus gezogen hat. Die schwindende Energieversorgung dagegen bereitet leichte Weltuntergangsstimmung, da sich für die damit verbundenen globalen Bedrohungen keine einfachen Lösungen anbieten.

Zuletzt deckte Erdgas etwa ein Fünftel des österreichischen energetischen Endverbrauchs, davon benötigte etwa die Hälfte die produzierende Industrie, weniger als ein Drittel die Energiewirtschaft, den Rest Gewerbe und Haushalte.

Erdgas wurde in den vergangenen Jahren als Erlösung gefeiert, da es pro Kilowattstunde weit weniger Treibhausgas erzeugt als Kohle und Öl. Glücklicherweise waren die Kraftwerksbetreiber nicht so unvorsichtig, sich allein darauf zu verlassen. Die Blöcke Theiss und Simmering 2 etwa können innerhalb mehrerer Tage auf Öl umgestellt werden (so lange dauert es, das in den Tanks als Sicherheitsreserve gelagerte erstarrte Öl zu beheizen und aufzutauen), Dürnrohr innerhalb eines Tages auf Kohle. Was die Stromversorgung betrifft, ist kurzfristig also keine Panik angebracht, aber langfristig?

Im obersteirischen Ballungsraum Kapfenberg/Bruck beispielsweise werden 89 Prozent des Ergasbedarfs durch die Stahlindustrie verbraucht. Dafür gibt es derzeit keinen Ersatz. Biogas könnte auch in Ausnutzung sämtlicher Ressourcen mengenmäßig niemals ausreichend erzeugt werden. Eigene Studien haben gezeigt, dass man regionale Selbstversorgung mit Energie zwar in ländlichen Regionen, nicht aber für die in Österreich typische Industrie erreichen kann.

Was ist zu tun? Die Lösung kann auf keinen Fall sein, die durch die wirtschaftlichen Schwierigkeiten bereits belastete Industrie zu Abschaltungen zu zwingen. Wir würden den Ast absägen, auf dem wir sitzen.

Zweifellos, die Versorgung mit Alternativenergien muss verstärkt werden, was für die Industrie mit bedeutenden Investitionsförderungen verbunden sein müsste, da alternative Energieformen noch immer wesentlich teurer sind. Das trifft ganz besonders auf Solarenergie zu, aber zum Teil auch auf Biomasse. Dass sich diese Preisverhältnisse binnen fünf Jahren umdrehen könnten, wie manche glauben wollen, halte ich für fahrlässigen Optimismus.

Apropos Biomasse: Wenn man mehr Biomasse zu Energie umwandeln will, muss man konsequent auf Energielandwirtschaft umstellen, das heißt große, industriell bebaute Wald- und Ackerflächen in Summe der Größenordnung der Fläche eines Bundeslandes.

Ein wesentliches Lösungspotenzial bieten aber jegliche Initiativen in Richtung Energieeffizienz. Ohne grundsätzliche Prozessänderungen sollte man so aber in der Industrie nicht mehr als schätzungsweise 15 Prozent Energieeinsparung erwarten, anders als im Wohnbereich, wo durch Wärmedämmung auch über 50 Prozent zu sparen sein müssten.

Die wichtigste Quelle der Kreativität muss in Zukunft aber in Richtung Raumplanung gehen: Dass unser Land überall zersiedelt wird, ist nicht nur unschön, sondern ein ganz großer Fehler, was den Energieverbrauch betrifft. Die Siedlungs- und Betriebsstruktur der ferneren Zukunft muss hinsichtlich Energieeffizienz und leistbarer Verkehrsversorgung mit öffentlichen Netzen folgendermaßen gestaltet sein: Dicht besiedelte und intelligent bebaute große Städte in Abständen von 60 bis100 km, und dazwischen - außer denen, die von der Landfläche leben - nichts. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.8.2008)