Wien - Für Experten sind die Thesen von Bob Doll wahrscheinlich bereits so etwas wie ein Neujahres-Ritual. Seit mehr als zehn Jahren hält der stellvertretende Vorsitzende und Chief Investment Officer vom Vermögensverwalter Black Rock zu Jahresbeginn fest, was er für das laufende Jahr erwartet.

2009 wird laut Doll geprägt sein von negativem Wirtschaftswachstum und deutlichen Gewinnrückgängen. Die USA werden demnach im Griff der wohl längsten und tiefsten Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg bleiben. Die US-Wirtschaft wird Doll zufolge den ersten Rückgang des nominalen Bruttoinlandsproduktes (BIP) seit 50 Jahren erleben, während die globale Wachstumsrate auf den niedrigsten Stand seit fast 20 Jahren fallen wird.

Was im Ansatz recht düster klingt, bekommt im Detail aber durchaus positiven Charakter. Denn die US-Wirtschaft soll sich laut Doll in der zweiten Jahreshälfte stabilisieren, auch aus den Schwellenländern werden Erholungssignale erwartet, 2010 soll es auch mit der Wirtschaft in Europa wieder bergauf gehen - aber nur langsam: "Wenn die Erholung einsetzt, wird sie wohl gedämpft ausfallen, da der Abbau von Fremdfinanzierungen aufseiten der Konsumenten und des Finanzsektors viele Jahre brauchen wird", so Doll.

Rallye bei Aktien stehe bevor

Für Anleger könnte heuer aber durchaus wieder ein gutes Jahr werden. Die Schwankungen an den Börsen werden uns zwar weiter begleiten, aber: "Angesichts rekordverdächtiger Finanz- und geldpolitischer Anreize, deutlich niedrigerer Ölpreise, viel günstigere Bewertungen und einer großen Menge anzulegenden Geldes ist es wahrscheinlich, dass Aktien 2009 eine Rallye erleben."

Die Folge: "Anleger werden beginnen, langsam von sicheren Anlagen zu riskanteren zurückzukehren." 2010 soll es dann auch zu einer Erholung bei Unternehmensgewinnen geben, wobei sich die USA heuer besser entwickeln sollen als Europa. Der Grund: Europa habe seine wirtschaftlichen Probleme langsamer erkannt als die USA, was sich in den noch immer höheren Zinsen zeige und in einem langsameren Bereinigungsprozess im Bankensystem.

Die Konsequenz aus den vielen Hilfsprogrammen sei ein wachsendes Haushaltsdefizit. Für die USA erwartet Doll, dass das Defizit die Marke von einer Billion US-Dollar übersteigt, was "die Möglichkeiten der Obama-Regierung einschränken wird, ihre Wahlversprechen zu erfüllen".

Anleger sollten auf Unternehmen "mit bilanzieller Stärke, guten Cashflow-Eigenschaften und einiger Unabhängigkeit vom Konjunkturzyklus setzen". Das seien die Branchen Gesundheit, IT und der Energiesektor. Vorsicht empfiehlt Doll bei Finanztitel, Versorgern und Materialwerten. Bei Rohstoffen erwartet der Investment-Experte sogar "heftige Verluste". (bpf, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.1.1.2009)