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Grafik: DER STANDARD/APA

„Sicherheitsprobleme?", fragt Dobroslav Dobák nach, so als ob er die Frage nicht verstanden hätte. „Nein, hier ist alles okay." Wenn das grüne Licht aus Bratislava kommt, wird Reaktor 2 des Atomkraftwerks Bohunice wieder hochgefahren. „In vier bis fünf Tagen liefert er dann wieder Strom."
Dobak, der Sprecher von Javys, der Betreiberfirma von Reaktor 1, sieht den Streit um das Kraftwerk ganz entspannt. Ganz anders die Dutzenden Diplomaten und Politiker in Brüssel, Wien und Bratislava, die am Montag hektisch nach einem Ausweg aus dem neu entbrannten AKW-Streit suchten.

In Brüssel wurde beim Energieministerrat versucht, Bratislava zu einer Kursumkehr zu bewegen. Österreichische Politiker warfen der Slowakei den ganzen Tag über „Vertragsbruch" vor, da die Slowakei sich in ihrem EU-Beitrittsvertrag dazu verpflichtet hat, den besagten Block 2 von Bohunice endgültig stillzulegen. Mit überschaubarem Erfolg. Denn am späten Nachmittag, also nach der Einigung zwischen Russland und der Ukraine, weckte Ministerpräsident Robert Fico - nach einem Telefonat mit Bundeskanzler Werner Faymann - noch Hoffnungen, das grüne Licht für den Reaktor doch noch zu überdenken. „Die Inbetriebnahme würde klar gegen die beim EU-Beitrittsvertrag geschlossene Vereinbarung der Schließung des Reaktors verstoßen", betonte Faymann nach dem Telefonat.
„Die Regierung hat die Betreiberfirma lediglich angewiesen, eine Wiedereinschaltung vorzubereiten", ruderte man auch im Wirtschafts- und Energieministerium in Bratislava zurück: Ob tatsächlich wieder eingeschaltet wird, hänge davon ab, ob die russischen Gaslieferungen an die Slowakei tatsächlich wieder aufgenommen würden.

Strom wichtiger als Gas

Gegen 18 Uhr war wieder alles anders. Der slowakische Wirtschaftsminister, L'ubomír Jahnátek, teilte Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner und EU-Energiekomissar Andris Piebalgs nach einem Treffen mit dem EU-Ratsvorsitzenden, Tschechiens Industrie- und Handelsminister Martin Riman, in Brüssel mit: „Die Situation im Strombereich ist jetzt für uns ein größeres Problem als die unterbrochenen Gaslieferungen." Die einzige Lösung des Problems sei die Wiederinbetriebnahme des Reaktors 2 in Bohunice.

Dass es den Slowaken ernst ist, lässt sich auch daran ablesen, dass Wirtschaftsminister Jahnátek den ganzen Tag über versuchte, in Brüssel die Zustimmung der Kommission und der Mitgliedsstaaten für die Wiederinbetriebnahme des wegen Altersschwäche zu Jahreswechsel stillgelegten Reaktors zu bekommen. Der Minister argumentierte, dass die Slowakei rund sieben Prozent des Stroms in Gaskraftwerken erzeuge, durch den zusätzlichen Reaktor also Gas gespart und mehr Strom produziert werden könne.

„Auch Notsituationen rechtfertigen keine Verletzung von EU-Primärrecht", konterte Mitterlehner bereits vor Beginn der außerordentlichen Sitzung des Energieministerrats in Brüssel.
Es sei nun die EU-Kommission als Hüterin der Verträge am Zug, um ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten. Zudem habe die Slowakei von der EU insgesamt an 614 Millionen Euro an Umstrukturierungshilfen bekommen. Es stelle sich nun die Frage, was mit diesem Geld passiert sei, sagte Mitterlehner. Im Außenministerium kritisierte man auch die Vorgehensweise Bratislavas: Die Regierung habe Österreich formell erst sehr spät, am Sonntag, in Kenntnis gesetzt. „Wir haben Österreich zum frühestmöglichen Zeitpunkt informiert", versicherte Bratislava.

Kontrovers diskutiert wird ein Reaktorstart auch in der Slowakei. Premier Fico hatte - noch vor Ausbruch der Gaskrise - immer wieder öffentlich über die Aussetzung des Reaktorstopps spekuliert. Kritiker sehen die Gaskrise als Vorwand sein, um den Reaktor in Betrieb zu nehmen. „Das Problem ist nicht so groß, dass man den Betrieb eines Reaktors in Bohunice wiederaufnehmen muss. Es ist genug Elektrizität am Markt", sagte der Sprecher der westslowakischen Elektrizitätswerke, Jan Orlovsky. (Lýdia Kokavcová/Michael Moravec/András Szigetvari, DER STANDARD, Printausgabe, 13.1.2009)