Wien - Kreativität und Innovation müssen in der Schule der Zukunft eine tragende Rolle spielen - und zwar schon rein aus wirtschaftlicher Notwendigkeit. Darin waren sich die Teilnehmer einer Diskussion der Industriellenvereinigung (IV) und der Initiative "Bildung Grenzenlos" als Startveranstaltung zum "Europäischen Jahr der Kreativität und Innovation 2009" am Montagabend einig. "Unternehmen, in denen kreatives und kritisches Denken nicht erwünscht ist, werden pleitegehen - denn das können Roboter und die Chinesen besser", sagte der Zukunftsforscher Matthias Horx.

Mehr Akademiker - aber entwöhnt vom kritischen Denken

Eine Änderung der Jobstruktur zeigt sich laut der Infineon-Vorstandsvorsitzenden Monika Kircher-Kohl schon jetzt: Früher gab es bei Infineon vor allem Arbeiter, mittlerweile haben 40 Prozent der Mitarbeiter und 60 Prozent der Neueinstellungen einen akademischen Titel - "und das wird sich in der Krise weiter beschleunigen", so Kircher-Kohl. Eine weitere Entwicklung, die sie erwartet: "Je mehr wir uns zur Innovationsgesellschaft entwickeln, umso mehr benötigen wir Widerspruch (von Mitarbeitern, Anm.)." Derzeit kämen unterdessen oft Mitarbeiter, "die vom kritischen Denken entwöhnt sind".

In den USA, berichtete Tuga Beyerle von der "Neigungsgruppe Design" in Wien, würden zu diesem Zweck Designer oder andere "Kreative" schon heute immer öfter in Unternehmensprozesse einbezogen. "Es geht um die Fähigkeit, sich schnell und flexibel auf neue Herausforderungen einzustellen, weil es für Selbstständige keine Routine oder Sicherheit gibt." Zur Vermittlung dieser Art des Denkens brauche es in den Schulen jedoch zunächst Lehrer, die selbst gelernt haben, kreativ zu denken.

Kein Widerspruch zwischen Kreativität und Produktivität

Die Schulen müssten es außerdem schaffen, forderte Horx, dass Kreativität und Produktivität nicht mehr als Widerspruch wahrgenommen würden. "Die Schüler müssen Disziplin als Lusterlebnis wahrnehmen, das ihnen den Stolz auf die eigene Leistung ermöglicht."

Im Unterricht müsste Kreativität laut Heidi Schrodt, Direktorin der AHS Rahlgasse und Sprecherin von "Bildung Grenzenlos", "in allen Fächern ganz selbstverständlich Eingang finden - auch in den Naturwissenschaften und Informatik". Damit Kreativität und Innovation allerdings im Schulsystem Platz greifen könnten, bräuchten die einzelnen Schulen deutlich mehr Autonomie. "Das Schulsystem ist aber sehr zentral organisiert, sehr obrigkeitshörig. Die Freiräume der Schulen sind derzeit nicht gegeben." (APA)