Zur Person:

Sabri Kiqmari (41) war Europasprecher der Kosovo-Befreiungsarmee UCK. Er studierte in Bochum Politologie und lehrte Diplomatie an der Victory Universität in Prishtina.

Foto: Regine Hendrich

Der erste offizielle Vertreter der Republik Kosovo in Österreich, Sabri Kiqmari, würde sich über eine humanitäre Entscheidung im Fall der Familie Zogaj freuen. Im Kosovo gebe es aber keine Asylgründe, sagte er zu Adelheid Wölfl.

STANDARD: Die Geschichte der kosovarischen Familie Zogaj bewegt die Österreicher. Haben Sie in der Sache Kontakt mit dem Innenministerium?

Kiqmari: Wir haben am Freitag beim Innenministerium angerufen, man wollte uns Anfang dieser Woche zurückrufen. Das ist eine Sache der österreichische Behörden. Wenn es zu einer humanitären Entscheidung der österreichischen Behörden kommen würde, würden wir das begrüßen. Jede Entscheidung der österreichischen Behörden werden wir respektieren. Das einzige, was ich sagen kann, ist, dass es keine Gründe für politisches Asyl im Kosovo gibt, weil es keine politische Verfolgung gibt. Das ist grundsätzlich so.

STANDARD: Wie beurteilen Sie den Verlauf der Ereignisse?

Kiqmari: Naja, das ist einer von mehreren Fällen. In den Medien ist sehr viel darüber berichtet worden. Es ist keine gute Geschichte. Europäische Länder und besonders Österreich haben unserem Land in einer schwierigen Zeit geholfen und ich weiß, dass zehntausende Kosovaren hier in den 90er Jahren gelebt haben und von der österreichischen Regierung unterstützt wurden.

Viele von denen haben ihren Aufenthalt zum Leben und Arbeiten hier. Sie leisten etwa Gutes für sich selbst und für die österreichische Gesellschaft. Und das ist gut so. In jedem Staat gibt es aber auch Rechtsstaatsregeln, die zu respektieren sind. Und in dem Fall Zogaj haben die österreichischen Behörden entschieden, dass die Gründe für politisches Asyl nicht relevant sind. Die Familie ist aber in einer schwierigen Lage, weil sie zerrissen ist und das ist nicht gut. Man sollte eine Lösung finden.

STANDARD: Kosovaren können kein Asyl mehr bekommen, aber sie haben auch sehr wenig andere Möglichkeiten in EU-Europa legal zu arbeiten und zu leben. Die kosovarische Gesellschaft kann aber ohne die Gastarbeiter im Ausland gar nicht überleben.

Kiqmari: Die Arbeitslosigkeit ist relativ hoch und die Leute suchen jede Möglichkeit, um auszureisen. Die Liberalisierung der Bewegungsfreiheit wäre die beste Lösung, auch für den Kosovo. Als die neuen EU-Staaten aufgenommen wurden, wurde in den Medien berichtet, dass jetzt sehr viele kommen werden und die Arbeitslosigkeit in der EU größer wird. Das war aber nicht der Fall.

STANDARD: Die tschechische Ratspräsidentschaft unterstützt eine rasche Visa-Liberalisierung für die Westbalkanstaaten. Allerdings ist der Kosovo, was die Vorbereitungen für eine Aufhebung des Visaregimes betrifft, noch nicht so weit wie die anderen.

Kiqmari: Wenn die Leute sich durch eine Schengen-Visaliberalisierung frei bewegen könnten, wäre dies der beste Weg, um die Demokratie in der Region zu fördern. Und es wäre eine wirtschaftliche Hilfe für den Kosovo. Ich hoffe, dass die EU den Kosovo dabei nicht ausschließt.

STANDARD: Der Kosovo ist seit fast einem Jahr unabhängig. Wie beurteilen Sie die Situation?

Kiqmari: Die Voraussagen, dass es zu Destabilisierung des Landes nach der Unabhängigkeit kommen würde, waren nicht richtig. Der Prozess ist ganz friedlich gelaufen. Auch die serbische Minderheit versucht sich zu integrieren, der Prozess ist aber nicht leicht.

STANDARD: In Mitrovica gab es erst jüngst wieder Ausschreitungen. Welche Rolle spielt Belgrad dabei?

Kiqmari: Wir haben erwartet, dass die neue serbische Regierung ihre Position wechselt und auch die Integration der serbischen Mitbürger im Kosovo fördert. Leider ist das nicht der Fall. Die serbische Politik ist noch immer der Vergangenheit verbunden.

Aber in der serbischen Enklave Gracanica gibt es rationalistischere Politiker als etwa in Mitrovica, wo es radikale Kräfte gibt. Unsere Regierung versucht jedenfalls auch im Norden zu investieren, damit die Integration der serbischen Mitbürger gefördert wird.

STANDARD: Geplant war ja eigentlich, dass die Integration der Minderheiten durch den Ahtisaari-Plan umgesetzt wird. Den Ahtisaari-Plan darf nun aber auch die EU-Mission Eulex offiziell gar nicht umsetzen. Hat die Regierung eine Kooperation mit den serbischen Enklaven?

Kiqmari: Wenn es nach den Wahlergebnissen gehen würde, dann wären vielleicht drei Serben im kosovarischen Parlament, so sind es durch den Ahtisaari-Plan garantiert zehn Parlamentssitze und wir haben zwei serbische Minister.

Auch in den Gemeinden, wo die Serben die Mehrheit ausmachen, funktioniert ein Selbstverwaltungssystem, durch das die Serben nicht nur Bildung und Kultur, sondern auch für die Polizei in der Gemeinde bestimmen. Das läuft.

STANDARD: Aber gibt es irgendeine formelle Zusammenarbeit zwischen diesen serbischen Funktionären und der kosovarischen Regierung?

Kiqmari: Ja, durch die serbischen Parlamentarier und durch die Minister. Die Kommunikation ist da. Natürlich gab es Versuche während der letzten Lokalwahlen in Serbien eine Art Parallelsystem im Kosovo aufzubauen, das ist aber gescheitert. Man hat versucht parallele Gemeinderäte die in Verbindung zur serbischen Regierung stehen, zu etablieren.

Es stimmt, dass die Bürgermeister im Norden ihren Job in dem Sinne machen, als sie keine intensiven Verbindungen zu Prishtina haben. Sie wollen mit der UN-Verwaltung Unmik und der Eulex zusammenarbeiten und nicht mit Prishtina. Darüber sind wir nicht froh.

STANDARD: Seit klar ist, dass die Eulex „statusneutral“ arbeiten muss und also offiziell den Ahtisaari-Plan zur Unabhängigkeit nicht unterstützen darf, wächst da eine Unzufriedenheit bei den Kosovo-Albanern gegenüber der Eulex?

Kiqmari: Nein, die kosovarische Regierung ist über die Eulex froh. Die Mehrheit unserer Forderungen sind erfüllt. Serbien wollte ja zunächst, dass im Norden nur die Unmik funktioniert und in den anderen Teilen die Eulex. Das wäre für uns ein Zeichen der Idee der Teilung gewesen. Das ist jetzt aber nicht der Fall, die Eulex funktioniert genau so im Norden wie in anderen Teilen. Wir verstehen die Schwierigkeit des UN-Sicherheitsrats, was die offizielle Umsetzung des Ahtisaari-Plans betrifft. Aber de facto wird der Ahtisaari-Plan durchgesetzt und die Verfassung des Kosovo wird als solche anerkannt.

STANDARD: Welche Eulex-Beamten sind jetzt in Mitrovica?

Kiqmari: Das Gericht in Mitrovica ist funktionsfähig geworden und die Polizei ist da. An der Grenze ist noch einiges zu machen. Weil die Grenze offen ist, gibt es ein Problem mit steigender Kriminalität. Die Regierung des Kosovo hofft, dass die Eulex noch vor Sommer etwas unternimmt. Bei einer offenen Grenze kann jeder schmuggeln.

STANDARD: Was ist nötig, um die Grenze zu sichern?

Kiqmari: Das Problem liegt auf der Seite Belgrads, weil es die Grenze nicht anerkennt. Wir sind sehr interessiert, die Grenze zuzumachen, damit sich nicht jeder Kriminelle frei bewegen kann. Wir wollen das aber nicht durch Gewalt durchsetzen. Deswegen haben wir akzeptiert, dass Eulex den ersten Schritt machen wird, mit dem Ziel, dass in den nächsten Wochen dann die kosovarische Polizei die Aufgabe übernimmt, Serben und Albaner. Eine gemischte Polizei wäre am besten.

STANDARD: Mit dem kosovarischen Pass wird man aber auch dann nicht über die Grenze kommen. Wohin kann man mit dem kosovarischen Pass hinreisen?

Kiqmari: Der einzige Ort, wo man damit nicht hinfahren kann, ist Serbien. Es gibt Länder, die zwar nicht die Unabhängigkeit anerkannt haben, aber den Pass schon, zum Beispiel die Slowakei und Griechenland. Spanien ist noch nicht dazu gekommen. Es wird das aber in Kürze machen. Mit Serbien wird es wohl länger dauern. Es gibt aber auch gute Zeichen in diese Richtung. Ich habe hier in Wien den serbischen Botschafter getroffen und wir haben uns begrüsst. Langsam wird das Rationale gegen das Irrationale zwischen unseren beiden Ländern gewinnen.

STANDARD: Wann wird der Kosovo das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der EU abschließen?

Kiqmari: Erste Kontakte zur EU-Integration haben bereits stattgefunden. Die politische Lage unseres Landes ist aber kompliziert durch die Tatsache, dass fünf EU-Länder uns nicht anerkannt haben. Das kann uns aber nicht daran hindern, die Voraussetzungen für das Abkommen zu erfüllen. Wir sind als Regierung und Land in der Lage mit Serbien zu kooperieren und zu kommunizieren. Das einzige, worüber wir mit Serbien nicht mehr sprechen werden, ist die Statusfrage. Je schneller die serbische Politik das versteht, desto besser.

STANDARD: Und das Abkommen?

Kiqmari: Realistisch ist das vielleicht in ein bis zwei Jahren. Aber ich möchte zurückhaltend sein. Durch die Tatsache, dass Serbien die Anerkennung des Kosovo nicht akzeptiert, hindert es sich selbst an einer EU-Annäherung. Die Formulierungen des serbischen Außenministers Vuk Jeremic sind wie ein Schritt nach vorne und zwei zurück. Die Nicht-Anerkennung des Kosovo ist ihm wichtiger, als die Integration in die EU.

STANDARD: Die Anerkennung des Kosovo ist aber keine Voraussetzung für den EU-Beitritt Serbiens.

Kiqmari: Solange Serbien versucht, die serbische Minderheit im Kosovo zu instrumentalisieren, wird es keine Chance haben, der EU beizutreten. Wer nimmt Serbien ernst, als ein Land, das Schwierigkeiten hat, ein anderes Land zu akzeptieren? (DER STANDARD, Printausgabe, 14.1.2009)